Das Modell der Planlosigkeit setzt eine wissenschaftliche Ordnung voraus, die nicht aufgrund eines rational durchdachten Plans den modernen Gegebenheiten angepaßt ist. Vielmehr nimmt sie zufallsbedingt Neues in sich auf oder lehnt es ab. Der Blitz der Entdeckung kann überall einschlagen. Die Struktur der Wissenschaft entsteht und wird sichtbar aus einer Vielzahl von Zufälligkeiten. Man behauptet, der Wahrheitsgehalt der Erkenntnisse eines Wissenschaftlers habe wenig damit zu tun, ob sie Aussicht hätten, in die Wissenschaft einzugehen. Andererseits würden sie auch nicht von klugen Managern der Macht und von einer Art Schiedsgericht aus ihr ferngehalten.
Das Modell der Planlosigkeit unterscheidet sich vom rationalistischen Modell dadurch, daß es bewußtes Handeln voraussetzt, das aber so verteilt ist, daß es sich gegenseitig neutralisiert. Somit wirkt das ganze System nicht nach einem festgelegten Plan. Seine Regeln sind daher keine Verhaltensregeln, sondern Wirkungsregeln.
Die Grundregel des Modells der Planlosigkeit ist: Für eine »Wahrheit« über eine Tatsache stehen die Chancen für Annahme oder Ablehnung gleich. Die Wahrheit ist dabei nicht ausschlaggebend. Wir wollen für einen Augenblick innehalten und diese radikale Aussage überdenken. Sie besagt nicht, daß es keine Wahrheit gibt. Man kann immer noch an der Theorie festhalten, daß bei Aussagen unterschieden werden kann in Bezug auf ihre relative Übereinstimmung mit den Tatsachen, der Struktur der Tatsachen, Voraussagen von Ereignissen und die Herrschaft über die Ereignisse. Wenn es jedoch Wahrheit gibt, so heißt das noch lange nicht, daß sie auch angenommen wird - selbst auf ihrem eigenen Gebiet, den Wissenschaften. Wie der sprichwörtliche Prophet gilt auch sie nichts in ihrem eigenen Vaterland.
Um diese Situation zu verstehen, wollen wir annehmen, alle Menschen seien Wissenschaftler, wenn auch nicht in gleichem Maße. Sie haben Probleme, die sich mit logisch-empirischen Methoden lösen lassen. Wenn man nun all das in Betracht zieht, was die Menschen an Überzeugungen haben, alle Aussagen über die Welt und die Zukunft, denen sie zustimmen, kann man jetzt oder jemals sagen, die Überzahl dieser Aussagen sei wahr? Vielleicht nicht, wenigstens nicht nach den Regeln empirischer Logik.
Wenn wir jetzt vom normalen Menschen auf den Wissenschaftler übergehen, kann man sagen, daß die Wissenschaftler mehr richtige als falsche Aussagen für wahr halten? Wenn man so etwas behauptet, müßte man direkt annehmen, sie hätten den Stand der Allwissenheit erreicht.
Der Wissenschaftler würde einwenden, und diesen Einwand hat es schon immer gegeben, bei denen, die vor ihm kamen, hätten in einem Winkel ihres Geistes noch überholter Aberglaube, falsche Theorien und unempirische Ideen gelegen. Heute dagegen sei das meiste, was die Menschen wissen, richtig.
In die Ecke getrieben, müßte man den Stolz des Wissenschaftlers mit den bekannten Auswirkungen der Spezialisierung rechtfertigen. Nach einem alten Witz ist ein Wissenschaftler, der sich spezialisiert hat, ein Mensch, der über immer weniger immer mehr weiß. Das mag sein, aber in diesem Fall müßte man dann auf eine kollektivistische Theorie des Wissens zurückgreifen: Wissen ist Gemeinbesitz; abgesehen von der Frage, ob das meiste von dem, was man weiß, richtig ist, ist heute mehr richtig als früher, trotz der Spezialisierung, denn die Wissenschaft ist ja eine wundervolle Kette von Teilchen, die durch kommunizierende Röhren miteinander verbunden ist.
Wenn dem so ist, dann hängt alles von der Kommunikation ab. Wenn die Röhren verstopft sind, wird es immer nur Teilwahrheiten geben. Und das ist schlimmer, als wenn nur eine kleinere Gesamtwahrheit allgemein verbreitet ist. Ist das heute so? Vielleicht. Vielleicht wird es einmal so sein. Das Modell der Planlosigkeit behauptet, es ist so. Nicht nur ist der Irrtum genauso häufig wie die Wahrheit; aber die Wahrheit bleibt Stückwerk, weil sie nicht verbreitet wird. Wenn eine Wahrheit nur in ein Teilgebiet der Wissenschaft eingeht, existiert sie nur für diesen Teil des Gesamtgebiets. Vielleicht wird das Ausmaß, in dem Irrtümer sich in die Wissenschaft eingeschlichen haben, von den Wissenschaftlern, die eine hochentwickelte Moral oder unbewußt eingewurzelte Selbstzweifel haben, unterschätzt. Wahrscheinlich dringt die Wahrheit nicht in einen Stausee der Wissenschaft ein, sondern nur in einen Teich. Daher kann das Modell der Planlosigkeit behaupten, die Wahrheit dringe nicht selbstverständlich ein - nicht, weil man sie bewußt am Eindringen hindert, sondern aus logischen, sozialen und psychologischen Gründen, die wir bis jetzt noch nicht im Griff haben.
Das Modell läßt erkennen, daß der Zeitgeist und die herrschenden Gepflogenheiten bestimmen, was Wissenschaft ist und was nicht. Die Gewohnheit zu fragen wird von mehr oder weniger Leuten angenommen werden. Sie werden theoretische und praktische Ergebnisse erzielen, und diese Ergebnisse werden anerkannt oder abgelehnt, teils zufällig, teils aus Wohlwollen oder Protektion, teils durch Reklame, teils aufgrund des Nutzens, den man daraus ziehen kann.
Wissenschaftler arbeiten unter dem System der Planlosigkeit mit den verschiedensten Mythen - vorwiegend mit dem der Rationalität, dem der Ursächlichkeit, dem der freien Wahl -, aber tatsächlich wissen sie nicht, was sie suchen, was möglich ist oder welche Lösungen dabei herauskommen werden. Daß ihr Entgelt, sei es Prestige, Stellung oder Geld, leistungsgebunden ist, ist nur Illusion. Was anerkannt wird und was abgelehnt wird, ist deshalb nur das Produkt eines zufälligen Zusammentreffens von Vorsatz und Ausführung.
Unter diesen Umständen gehorchen die Wissenschaftler den Gesetzen nichtrationalen Kollektivverhaltens. Ihr Denken verläuft in eingeschliffenen Bahnen (z. B. die ewige Harmonie der Sphären, Aktualismus, Katastrophentheorie). Sie verbreiten Ideen dadurch, daß sie sie in allgemeinverständlicher Form veröffentlichen. [16] So sind die Gedanken Newtons, Galileis, Darwins, Freuds und Einsteins weitergegeben worden. Wissenschaftler sind auf allgemeinverständliche Darstellung angewiesen. Ihr eigener Geist wird von stark vereinfachenden Ideen geformt, und sie können anstellen, was sie wollen, sie können sich ihrem Griff nicht entziehen.
Eine neue Theorie verbreitet sich wie ein Gerücht, vereinfacht, überpräzise, und der Erfolg kommt als Überraschung. Nicht zwei Leute verstehen die volle Bedeutung dieser Theorie genau gleich. Sie wehrt sich gegen Gegenargumente. Und sie dauert so lange an, bis sie abgenutzt ist und etwas Neues auftaucht. Sie scheint konkret und wirksam zu sein, bis sie sich als blind und vage erweist; so geschah es mit den meisten Aussagen über das Universum.
Man sollte erwarten, daß mehr Wissenschaftler das Modell der Planlosigkeit ablehnen als das rationalistische oder das Machtmodell. Es negiert das rationalistische Modell. Und das Machtmodell, obwohl man es gar nicht gerne hat, vertraut das Urteil »kompetenten Fachleuten« an, wie wir noch sehen werden. Die Planlosigkeit bedroht die ganze Ordnung. Man darf sicher erwarten, daß unter den verschiedenen Kategorien von Wissenschaftlern die Statistiker und Soziologen sich am wenigsten dadurch gestört fühlen, die Astronomen wegen ihrer eigenen Methoden am meisten. Physik und Individualpsychologie haben, so läßt sich feststellen, in den letzten Jahren gerne nach einem komplizierten System von Prioritäten bei der Bewertung wissenschaftlicher Leistung gerufen. Zuweilen hat es Streit gegeben um die Datierung eines Berichts und über das geistige Eigentum an einer »Entdeckung«. Die Vermutung liegt nahe, dies sei zum Teil eine Reaktion auf die Kapitulation vor der Planlosigkeit. Noch größere Nervosität, die sich bis zum Trauma steigern kann, ergreift die Wissenschaftler, wenn sie die Früchte ihrer Arbeit in Zukunft anonymen Computerspeichern anvertrauen müssen.
Unter dem Modell der Planlosigkeit machen, um im Jargon der avantgardistischen Statistik zu reden, Mensch/Material einen Zufallsweg. Zufallsweg heißt: Zum Zweck der Kontrolle (inklusive voraussagender und taktischer Verhaltensmuster) gibt es nichts außer der Zufälligkeit. Nur wenige typische Verhaltensweisen sind zu erkennen, und sie sind zu wenig ausgeprägt, als daß man ihre Tendenz feststellen könnte. Von dieser Theorie her wird auch der Prozeß gegen Galilei verständlich. Man wird das Gefühl nicht los, daß die Behandlung Galileis das Ergebnis einer Vielzahl nichtrationaler, widersprüchlicher Geschehnisse und von Intrigen war, die zu seiner Verurteilung führten. Ein hierarchisches oder Machtsystem war am Werk, aber die ihm innewohnende Vernunft reichte nicht aus. Die Kirche verhielt sich nicht wie ein völlig durchorganisiertes, bewußtes und zielgerichtetes System. Im Rückblick erscheint Galileis Verurteilung fast wie ein Zufall, ein verständlicher freilich.
Folgende Regeln gelten:
(1)
Es gibt keine vorgeschriebenen
wissenschaftlichen Verfahrensweisen. Die schöpferische Hypothese herrscht
allmächtig, und die Wissenschaftler »machen Faxen«. Science-fiction, Magie,
Astrologie und nicht zu Ende gedachte Ideen werden mit logisch-empirischen
Methoden in einen Topf geworfen. Sie schaffen Bedingungen, die zu praktischen
Ergebnissen führen. In der Kommunikation herrscht völliges Chaos. Ein
Wissenschaftler beschäftigt sich mit allem, was aufgrund seiner besonderen
Interessen und seinem Wohnort ihm über den Weg läuft. Er schafft etwas, dessen
Bestimmung und Schicksal unbekannt sind.
Beim Modell der Planlosigkeit spielt der Zufall bei Entdeckungen eine große Rolle. Poincare erzählt, wie ihm beim Überqueren der Straße die Lösung für einen Lehrsatz der Fuchsschen Funktionen gekommen sei. [17] Karl Gauss gelingt nach jahrelangem Suchen der Beweis eines Theorems. Er schreibt: »Endlich, vor zwei Tagen, habe ich's geschafft. Aber nicht durch mühselige Anstrengungen, sondern sozusagen durch die Gnade Gottes. Wie durch eine plötzliche Erleuchtung wurde das Rätsel gelöst. Ich für mein Teil kann den Faden nicht finden, der das, was ich schon früher gewußt habe, mit dem verbindet, was ich erreicht habe.« Wo ist die Methode Velikovskys, so fragt sich mancher Rezensent gequält? Velikovsky hat sehr wohl eine Methode, auch wenn sie nicht auf den ersten Blick erkennbar und durchschaubar ist. Ein Sozialwissenschaftler allerdings erkennt sie leichter als ein Naturwissenschaftler. Manchmal verbirgt sich seine Methode hinter einem flüssigen Stil, der empirisch verbundene Ideen auseinanderreißt und sie in kurze Sätze faßt. Natürlich läßt sich eine ganze Anzahl rationaler Behauptungen, die ein Charakteristikum des Werks sind, nur wie Gedankensprünge a la Gauss oder Poincare erklären. Wir wissen wenig über die sozialpsychologischen und noch weniger über die neurologischen Hintergründe derartiger Erscheinungen.
Das Modell der Planlosigkeit bietet in dieser Hinsicht im Gegensatz zum rationalistischen Modell eine Beschreibung, wie Wissenschaft »normal« verläuft, quasi als Verwaltungsroutine. [18] Es betont die Idee gegenüber dem Prozeß, wie es auch Professor H. H. Hess in seinem Brief an Velikovsky vom 2. Januar 1957 tat (der Brief nimmt Bezug auf das Memorandum Velikovskys zum Internationalen Geophysikalischen Jahr):
Ich werde Ihre Gedanken an Dr. Kaplan vom Organisationsausschuß des Internationalen Geophysikalischen Jahrs weiterleiten ... Wissenschaftliche Entdeckungen und Ideen kommen aus der Intuition, der Kreativität und dem Geist des Menschen her. Von sich aus bringen Dollars so etwas nicht zustande, genausowenig wie eine zweite Mona Lisa. Ich glaube, das werden Sie sicher verstehen . . .
(2)
Es gibt keine Regeln über die Form, in
der Material präsentiert wird, auch keine Regeln, wie veröffentlicht werden
soll. Das Angebotene wird aus im wesentlichen mythischen Gründen angenommen oder
abgelehnt. Gemessen an den Veröffentlichungen früherer Zeiten sind die Werke
Velikovskys tatsächlich von hohem Rang, was die angeführten Beweise und die
formale Darstellung angeht. Viel wird in den Wissenschaften als starre Doktrin
weitergegeben. Man geht dabei nach der Gewohnheit vor, und es bestehen keine
rationalen und bewußten Vorschriften, die man lernt. Viel von dem, was heute
verbreitet wird, geht nicht mehr in die wissenschaftliche Literatur ein, sondern
die Verbreitung geschieht durch Zeichnungen und den Einsatz von Computern.
Man muß einen Unterschied machen zwischen dem wirklichen Erfinder und dem, dem eine Erfindung zugeschrieben wird. Jeder namhafte Wissenschaftler stützt sich auf Hunderte von Erfindern. Selbst wenn durch mühsame objektive Forschung irgend jemand ein Verdienst zuerkannt werden sollte, so kann diese Forschung nicht fundiert genug sein, als daß sie dem Entdeckungsprozeß gerecht würde.
Das Modell der Planlosigkeit paßt zu den mangelhaften Leistungen, das Corpus scientiae zu bewahren und zu erweitern. Viel mehr als man kennt wird entdeckt und wieder vergessen. Viel Wissen bleibt ungenutzt, oder es ist nur zum Teil bekannt. Velikovsky bringt in seinen Büchern zahlreiche Beispiele für Entdeckungen aus früheren Zeiten, und sie bilden einen wesentlichen Teil seiner Theorie. Die Theorie, ein Komet habe auf der Erde Zerstörungen angerichtet, wurde schon einmal von namhaften Wissenschaftlern in verschiedenen Formen vertreten, wie Dr. Velikovsky und Professor Stecchini nachgewiesen haben. Jedesmal wenn eine neue Entdeckung oder Erfindung gemacht wird, kann man ihre Vorläufer ausfindig machen. Zuweilen läßt sich beweisen, daß die Ideen in einem Kausalzusammenhang stehen. Dann wieder erscheinen sie totgeboren und ohne jeden Zusammenhang. Und gelegentlich werden sie in der gleichen ideologischen Epoche von mehreren Leuten unabhängig voneinander entdeckt.
(3)
Ein Werk wird Teil der Wissenschaft
durch Reklame, durch Empfehlung im Bekanntenkreis, durch Zufall, durch unbewußte
Enthüllung und durch Schaffung eines bestimmten Geisteszustands
(unterschwelliger Reiz). Das geschieht auch durch parallellaufende Forschungen,
die unabhängig auf gleiche, ähnliche und verschiedene Quellen zurückgehen. Es
geht in die Wissenschaft ein durch ein »schöpferisches Mißverständnis« oder
durch »antikreatives Mißverständnis«.
(4)
Die rationalistischen Darstellungsweisen,
von denen vorher die Rede war, werden unzuverlässig, und das wissenschaftliche
Establishment zeigt sich als böse, dumm und unfähig. Es gibt wirkliche Helden,
die das Volk als Helden der Wissenschaft verehrt, aber der Wissenschaftler
lernt nicht von diesen Helden, und er kann deshalb nicht wissen, woher sie ihr Wissen haben.
In Wahrheit bildet sich der verirrte Geist der Masse diese Helden nur ein,
weil er sich nicht mit einer anonymen unkontrollierten Welt abfinden kann.
Die Öffentlichkeit verschreibt sich dem idealen System einer rationalistischen Wissenschaft,
und sie vollzieht dabei Riten und macht Kotau vor einer Ordnung, an deren Existenz sie glaubt
(die aber unsichtbar ist, und die es nur in ihrer Phantasie gibt), und von der sie
glaubt, sie lenke die Geschicke der Wissenschaft. Die Repräsentanten der
Öffentlichkeit handeln so wie der Abgeordnete in J. H. Poincares Geschichte. Auf
die Frage nach dem Wert der Geodäsie pflegte er zu antworten: »Ich muß annehmen,
die Geodäsie ist eine der nützlichsten Wissenschaften, denn sie ist eine von
denen, die uns am meisten Geld kosten.«
Zum Abschluß: Eine verhältnismäßig befriedigende Geschichte der Wissenschaft und der Velikovsky-Affäre könnte aus einem Blickwinkel heraus geschrieben werden, der sich als rein phänotypisch charakterisieren ließe. Damit würden alle Persönlichkeiten der Wissenschaft ihr Patent verlieren. Nur die Massenproduktion von Symbolen würde noch etwas gelten. Sie würde deutlich machen, wie gewisse Methoden der angewandten Wissenschaften von erheblichem praktischen Wert aus den Verknüpfungen des Kommunikationssystems hervorgehen. Sie würde zu dem Schluß kommen, die Kontrolle über die Annahme neuer Erkenntnisse sei nur gering. Sie würde schlußfolgern, andere Modelle, um neues Wissen zu organisieren und einzugliedern, seien entweder praktische Mythen, um die Moral der Wissenschaftler zu stärken, und / oder sie seien wenig wirksame determinierende Systeme, die nur wenig Einfluß auf den Fortschritt der Wissenschaft hätten und so gut wie keinen auf ihre Verwendung.
Diese Probleme sind der Geschichte nicht fremd, wenn auch der Geschichte der Wissenschaft. Hat Napoleon die Schlachten gewonnen, oder hat die Französische Revolution Europa schon vorher für ihn erobert? Wenn Newton oder Galilei oder Einstein nicht gelebt hätten, wäre die Naturwissenschaft anders? Macht nicht die Bereitschaft der Leute - weniger, wenn es um Wissenschaft, vieler, wenn es um Politik geht - wahrzunehmen, zu glauben und neues Material, neue Ideen und neue Instrumente zu benutzen, die deterministische, unausweichliche und übermäßige strukturelle Macht aus? Sind nicht alle Handlungen der Mächtigen im personalisierten Drama Wissenschaft wie im personalisierten Drama politische Geschichte ein boshafter Kommentar zur Wirklichkeit, eine Personalisierung von Geschehnissen, die, obwohl menschlich, darum doch nicht weniger natürlich sind?
Die Zeugnisse im Fall Velikovsky erklären von da her einiges im Verhalten. Sie zeigen den ungeheuren praktischen Einfluß der Wissenschaft, zugleich aber machen sie deutlich, wie chaotisch das Rezeptionssystem ist. Es scheint, als habe kaum einer der Wissenschaftler Velikovsky richtig gelesen. Praktisch funktionierte keiner der Bewertungsmechanismen. Und doch kommt es einem so vor, als ob seine Erkenntnisse sich mehr und mehr bestätigten, wenn nicht gar von der Wissenschaft anerkannt würden. Es ist durchaus möglich, daß in Zukunft Velikovskys Betrachtungsweise der Naturwissenschaften und der Geschichte in großem Maß die Wissenschaft formen wird, obwohl viele Quellen dieser Wissenschaft auch unabhängig von Velikovsky im stillen wirken.
Wahrscheinlich hätten Tausende von Natur- und Geisteswissenschaftlern seine Bücher gelesen - sie sind in einem klaren Stil geschrieben, behandeln wichtige Fragen, und sie sind umstritten -, wenn man sie nicht als Aberglauben und Scharlatanerie verflucht hätte. Trotzdem bleiben Velikovskys Werke eben durch das System der Planlosigkeit lebendig und werden noch immer gelesen. Seine Ideen könnten bei vielen in das allgemeine Bewußtsein eindringen und ihnen bis zu einem unbekannten Grad verhelfen, die Geschichte, die Wissenschaft und die Natur mit neuen Augen zu sehen.