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Alfred de Grazia:
(Herausgeber)


Die Velikovsky Affäre


Alfred de Grazia

Reform des Systems



Die Akten über den Fall Velikovsky können noch nicht geschlossen werden. Es bleibt noch viel zu sagen. Fürs erste genügt es jedoch festzuhalten, daß das Machtmodell, das dogmatische Modell und das Modell der Planlosigkeit das Verhalten im Fall Velikovsky viel besser beschreiben und erklären als das rationalistische.

In den frühen Stadien der Velikovsky-Affäre wurden viele »falsche« Anhaltspunkte gegeben. Da ein bewußtes, funktionierendes System für die Aufnahme neuen Materials fehlte, wurde das wissenschaftliche Establishment von unerwünschten psychologischen Kräften beherrscht, die unmotiviert von ideologischen und Machtgruppen mobilisiert wurden. Die häufigen erstaunlichen Fehlinterpretationen einfacher und klarer Texte sind nur ein Hinweis auf ein Rezeptionssystem, das psychopathologische Züge trägt.

Eine intensive Werbung ganz zu Anfang wirkte wie ein rotes Tuch. Sie warnte die Fachgrößen, ein Eindringling mit seltsamen Referenzen begehre Einlaß. Bei manchen Geistes- und Naturwissenschaftlern konnte aus arger politischer Angst (es war die Zeit des McCarthyismus) und intellektueller Angst, ausgelöst durch »kuriose« und »verpönte« Daten und Beweise eine hochexplosive Mischung entstehen.

Das rationalistische System wurde außer Kraft gesetzt, das Machtsystem und das dogmatische System herrschten unumschränkt. Als die Dinge sich so entwickelten, konnte man wenig tun, das zu verhindern, was schließlich dabei herauskam. Alle Betroffenen waren festgelegt. Es gab keine wissenschaftliche Berufungsinstanz und auch keine Stelle, die dieser Entwicklung hätte steuern können. Die Beilegung des Streits war Sache von den Leuten, die sich nicht hatten mobilisieren lassen -junge, skeptische Studenten (von Zeit zu Zeit spricht Velikovsky von der Jugend als von denen, die ihm zu seinem Recht verhelfen) oder andersdenkende Wissenschaftler oder außenstehende Intellektuelle. Interessanterweise gehören viele Techniker und Ingenieure zu den Anhängern Velikovskys.

Das Problem, von dem viele glaubten, es sei schon seit Jahrhunderten gelöst, die Einbringung neuer Erkenntnisse in die Wissenschaft-, stellt sich als fatal modern heraus. Tatsächlich boten die historischen Fälle Kopernikus, Bruno, Galilei und Pasteur nur sehr geringe Lösungshilfen, denn bei dem Problem ging es stets darum, die Basis des Denkens zu verbreitern, und man sah es nicht als ein Problem der angewandten Soziologie der Wissenschaft und ihrer Institutionen. In jeder Richtung ist es dem Zentralproblem von politischen und von Regierungsorganisationen ähnlich; da jedoch hat man schon seit langem mit beinahe wissenschaftlicher Gründlichkeit darauf geachtet, daß es zur Erhaltung und Förderung erwünschter Verhaltensweisen mehr braucht als nur guten Willen und Überredungskunst.

Wie die politische Ordnung hat auch die wissenschaftliche eine Reihe untergeordneter Bereiche mit eigenen Zielsetzungen, Methoden, Strukturen und daher auch Sonderproblemen. Allgemeine Aussagen über das Gesamtgebiet der Wissenschaft und über die Verfahrensweisen, die sich daraus ableiten lassen, müssen vom Durchschnitt und einigen Hilfsgrößen ausgehen; a priori erbringen sie weniger, als wenn man nur die Verfahrensweisen einer Einzeldisziplin betrachtet. Das heißt, einige dieser Verfahrensweisen lassen sich auf alle Fachbereiche übertragen, aber jeder Bereich braucht noch seine eigenen; alle sollten ausgedehnte Verhaltensforschungen zur Grundlage haben.

Nur wenige Wissenschaftler sind unmittelbar nützlich, wenn es um die Festlegung dieser Verfahrensweisen geht. Die meisten sind auf diese Aufgabe gar nicht vorbereitet. Sie wissen nicht, was Ideologie eigentlich ist. Es scheint, daß sie ihre eigene Psychologie nicht kennen und nicht wissen, wie ihr Sozialverhalten zustande kommt. Sie wissen nicht, wie ihre Organisation funktioniert und welche Ziele sie verfolgt. Wie kann man schließlich glauben, Wissenschaftler könnten mit ihrem speziellen Instrumentarium Lösungen so erarbeiten, daß sie auf eine Reihe von Sozialproblemen anwendbar sind? Die Antwort lautet: Sie können es nicht. Wenn und solange es nicht in der Wissenschaft eine Kopernikanische (oder Velikovskysche) Wende in der Gestalt einer soziologischen Revolution gibt, sind die Naturwissenschaftler für den Staat nur Ballast oder, schlimmer noch, eine potentiell böse Kraft.

Selbsterkenntnis der Wissenschaftler muß der Ausgangspunkt dieser Revolution sein. Gegenwärtig scheint es so, daß die Wissenschaftler alles erforschen, bloß nicht sich selber. Man braucht ein Institut zur Erforschung wissenschaftlicher Methodik, um eine weitgespannte Kette von Forschungsvorhaben über das Verhalten der Wissenschaftler einzuleiten und durchzuführen. Dieses Institut sollte niemandem gegenüber eine Verpflichtung haben. Es muß so strukturiert sein, daß die Ziele, denen es seine Existenz verdankt, klar erkennbar bleiben. Es könnte nach den Empfehlungen, wie sie im folgenden Abschnitt dargelegt werden, arbeiten.




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