Wenn man sich die Kritiken von Welten im Zusammenstoß, geschrieben von etwa hundert Leuchten unserer Zeit, ansieht, so stellt man fest, daß die zivilrechtlichen Aspekte der Sache (die Bemühungen, die Drucklegung zu verhindern, die Pressionen von seiten der Wissenschaftler, die Rezensenten auf eine Linie einzuschwören, und die Weigerung, Berichtigungen falscher Darstellung zu bringen) in den Hintergrund treten angesichts der erschreckenden Erkenntnis, daß die Fachleute, denen unser kostbarster Besitz, das Erbe wissenschaftlichen Gedankenguts, anvertraut ist, kollektiver Hysterie verfallen können. Ein Wissenschaftler nach dem andern erklärte, der Bau der Wissenschaft sei von der Zerstörung bedroht durch ein Buch, das nach Meinung einiger von leicht durchschaubaren Widersprüchen nur so wimmelt, und einen »absoluten Nichtskönner« zum Verfasser habe, der auf gleicher Stufe stehe mit denen, die die Hypothese von der Erde als Scheibe propagierten. Eine etwas bessere Erklärung für die Panikstimmung gibt die entgegengesetzte Behauptung einer Minderheit von Rezensenten: Velikovsky sei ein Blender, der sich in den technischen Details so gut auskenne und der so geschickt die Feinheiten des wissenschaftlichen Denkens handhaben könne, daß der normale Fachmann die Schwachstellen seiner Argumentation, die zweifellos vorhanden sein müssen, nicht entdecke.
Die Wellen schlugen so hoch, daß die New York Times Book Review zehn Jahre später bei ihrem Rückblick auf die literarischen Ereignisse eines Jahrzehnts auf das Schicksal eines Buches einging, »dessen Veröffentlichung die meisten zeitgenössischen Wissenschaftler als eine Katastrophe ansahen«, »Es zog allerlei Beschimpfungen auf sich, besonders unter den Astronomen, die sich, man erinnere sich, aufführten, als hätte eine Hornisse aus dem Weltraum sie gestochen [47]. « Man sollte sich umsehen in der Literatur des Jahrhunderts nach der Entdeckung des Kopernikus, und man könne eine ähnliche Sammlung absonderlicher und lächerlicher Argumente zur Widerlegung einer Theorie finden. Um nur eines der bekanntesten Beispiele zu nennen: Ein weitverbreiteter Einwand gegen Kopernikus sei gewesen, wenn sich die Erde tatsächlich bewege, würden die Menschen ins All geschleudert. Ahnlich behaupteten das vom Harvard-Observatorium im Umlauf gesetzte fotokopierte Memorandum und später noch weitere Astronomen, wenn die Erde in ihrer Drehung angehalten worden wäre, wie Velikovsky annimmt, dann wären die Menschen und alles, was auf der Erde nicht niet- und nagelfest sei, in den Weltraum katapultiert worden [48]. Dieses Argument übersieht völlig die Möglichkeit eines allmählichen Langsamerwerdens und mißt anscheinend der Konstanz der Erdumdrehung Auswirkungen auf die Gravitation bei. Nur ganz wenige Naturwissenschaftler prüften Velikovskys Beweismaterial objektiv. Einige Rezensenten brüsteten sich damit, sie hätten das Buch überhaupt nicht gelesen, und prangerten trotzdem Velikovskys Verbrechen lautstark an.
Wenn man die Mehrzahl der Rezensionen aus der Feder von Naturwissenschaftlern auf ihre signifikanten Punkte reduziert, so treten immer wieder dieselben Argumente auf. Der einzige Unterschied liegt im verschieden heftigen emotionalen Ausdruck. Ohne konkret ins Detail zu gehen, berufen sie sich auf »Naturgesetze« und wiederholen ständig die Namen Newton und Laplace, als wären sie Zauberworte; dabei geben sie aber keine Belege aus ihren, Werken. Von diesen Schablonen weicht nur der inzwischen gestorbene Präsident der American Astronomical Society, Otto Struve, ab. In einem Rückblick unter dem Titel »Wer war eigentlich Kopernikus?« (New York Herald Tribune Book Review vom 2. April 1950) stellte er fest, das Schlimme sei, daß Velikovsky noch nie etwas von Kopernikus gehört habe und von dessen Lehren widerlegt werde.
Die psychologische Prämisse, die Velikovsky eigentlich den Anstoß zur Erforschung antiker Überlieferungen gab, nämlich die Menschheit lebe in unbewußter Angst vor kosmischen Katastrophen, könnte ein Grund dafür sein, daß so viele Rezensenten in Panik gerieten und völlig irrational reagierten. Einen wertvollen Fingerzeig auf die Ursachen einer solchen Reaktion gibt ein Philosophieprofessor der Universität St. Louis [49] der sich mit den Bemühungen der Naturwissenschaftler, das Buch zu unterdrücken, solidarisierte, aber gleichzeitig Klage führte darüber, sie würden nicht erkennen, wie ungeheuer das Verbrechen der Druckindustrie sei, denn das Buch zerstöre die Grundlagen des jüdisch-christlichen Glaubens. Er schloß seinen Artikel mit dem Appell an die katholische Kirche, sie solle das Buch auf den Index setzen. Aber nach der schmerzlichen Erfahrung mit Galilei hat die katholische Kirche in Fragen wissenschaftlicher Erkenntnistheorie mehr Klugheit bewiesen als die Wissenschaftler.
Im Fall Velikovsky hieß der Kardinal Bellarmin Professor Harlow Shapley, der noch vor Erscheinen des Buchs die wissenschaftliche Welt unermüdlich warnte. Wie sehr ähnlich sind sich doch die beiden Persönlichkeiten! Kardinal Bellarmin war das Musterbeispiel eines Bürokraten, Shapley hatte sich dem Leviathan wissenschaftlicher Bürokratie verschrieben. Der Geist der neuen Bürokratie wurde am 30. Dezember 1950 auf dem Kongreß der American Association for the Advancement of Science deutlich, der als Antwort auf Velikovskys Buch abgehalten wurde. Da wurde der Vorschlag gemacht, jede Veröffentlichung neuer wissenschaftlicher Hypothesen vom Imprimatur kompetenter Fachleute abhängig zu machen [50].
Jede bürokratische Organisation, die nur sich selbst gegenüber verantwortlich sein will, versucht, ihre Macht auf ein transzendentales Absolutes zu begründen, und Velikovsky war eine Bedrohung dieses transzendentalen Absoluten der Kirche des Szientismus. Die Reaktion auf Velikovskys Buch bestätigt erneut die allgemeine Beobachtung, daß die Mehrheit der Wissenschaftler die Auswirkungen des großen wissenschaftlichen Umschwungs, der am Ende des letzten Jahrhunderts (auf Grundlagen von Berkeley, Hume und Hegel) einsetzte, noch nicht verarbeitet hat. Sie hängt noch dem Szientismus an, jenem primitiven mechanistischen Determinismus des 18. Jahrhunderts, und hat das Wissen über die menschliche Auffassungskraft, das sich in den letzten 200 Jahren angesammelt hat, noch nicht genügend zur Kenntnis genommen. [51] Folgendes war geschehen: Als die Wissenschaft sich in ihrer Arbeit noch an scholastischen Prinzipien orientierte, wurde das mechanische Uhrwerk entwickelt. Die frühen Uhren hatten einen Zusammenhang mit der Astronomie, und sie hatten oft die Form von Planetarien und beeinflußten so die Interpretation der Revolution in der Kosmologie, die Kopernikus, Giordano Bruno und Galilei ausgelöst hatten. Der Philosoph Colin Murray Turbayne untersucht in seinem Buch The Myth of Metapher (New Haven 1962) den überall spürbaren Einfluß der Metapher der mechanischen Uhr; er beruft sich dabei ausdrücklich auf die Argumentation von Berkeley und Hume. In der Einleitung schreibt er, auf diese Metapher sei »eine Kirche aufgebaut worden, noch mächtiger als die von Petrus und Paulus gegründete, deren Dogmen so eingewurzelt seien, daß jeder, der es unternimmt, die Tatsachen neu zu bestimmen, sich weit schlimmerer Sünden als nur der Ketzerei schuldig macht; er widersetzt sich der wissenschaftlichen Wahrheit«.
Im Briefwechsel zwischen Velikovsky und Shapley aus dem Jahr 1946, als Velikovsky anbot, seine Thesen einer alles entscheidenden Prüfung zu unterziehen, nahm Shapley eine Haltung ein, ähnlich der Bellarmins: Man solle Velikovskys Hypothesen über die physikalischen Eigenschaften der Venus, wie z. B. ihre hohen Temperaturen und ihre Atmosphäre aus Kohlenwasserstoffgasen, nur dann nachprüfen, wenn er sich zuvor bereit finde, sie innerhalb des Rahmens metaphysischer Voraussetzungen zu stellen. Shapley dachte dabei an das Dogma von der Stabilität des Sonnensystems [52]. Velikovsky zwang die Naturwissenschaftler zu der Einsicht, daß es für dieses Postulat keinen Beweis gibt.
Dutzende von Besprechungen fielen nur dadurch auf, daß sie zwar heftig protestierten, aber inhaltlich recht dürftig waren. Kein einziges Argument nach seitenlangen Schimpftiraden. Der Fall Harrison Brown ist ein gutes Beispiel für diejenigen, die laut tönten, sie hätten jede Menge entscheidender Argumente, aber dann führten sie kein einziges an. Nur einige wenige namhafte Wissenschaftler bewiesen durch positive Besprechungen und zusätzliche Informationen den Geist wissenschaftlicher Kooperation. Unter anderen waren dies W. S. Adams, G. Atwater, V. A. Bailey, V. Bargmann, A. Einstein, A. Goldsmith, H. H. Hess, H. S. Jones, J. S. Miller, P. L. Mercanton, C. W. van der Merve, L. Motz und S. K. Vsekhsviatsky. Im Gegensatz zu diesen logisch denkenden Männern setzten mehrere Leute mit großem Namen ihre Unterschrift unter Erklärungen, von denen kompetente Fachleute wissen, daß sie falsch sind.
Um die ewige Stabilität des Sonnensystems zu beweisen, hat ein Wissenschaftler nach dem andern behauptet, seit es Schrift gebe, also seit dem Beginn des 3. Jahrtausends v. Chr., hätten planetarische Begegnungen und Sonnenfinsternisse mit dem modernen Schema übereingestimmt; das gehe klar aus den schriftlichen Zeugnissen hervor. Aber man weiß genau, daß das nicht stimmt: Aufzeichnungen, die diese Behauptung beweisen, gibt es nicht für die Zeit vor 747 v. Chr. Diese Behauptung ist so evident falsch, daß Velikovsky, als sie zum erstenmal in der New York Times Book Review vom 12. April 1950 erschien, wenigstens einmal die Genugtuung hatte, daß sie zurückgenommen wurde. Aber in wissenschaftlichen Zeitschriften taucht sie immer wieder auf. Den ernsthaftesten Versuch, die Behauptungen von Velikovskys Gegnern zu beweisen, machte der Astronom John Q. Stewart von der Princeton University. In der im Juniheft 1951 von Harper's Magazine schriftlich ausgetragenen Debatte führte er ins Feld, nach der Erschaffung des Sonnensystems hätte die Venus nicht mehr in eine Umlaufbahn einschwenken können, denn dies hätte dem Bodeschen Gesetz widersprochen. Dieses sogenannte Gesetz ist nichts weiter als eine mnemotechnische Formel, die in groben Zügen die Entfernung der einzelnen Planeten von der Sonne angibt. Sie ist nicht auf die Theorie der Gravitation gegründet.
Die fast schon kindisch anmutende Verdrehung des vorhandenen wissenschaftlichen Beweismaterials erklärt sich durch den Umstand, daß viele Wissenschaftler Velikovskys Buch mit ihren ärgsten persönlichen Ängsten verbanden. Astronomen sahen in dem Buch eine Verherrlichung der Astrologie; Professoren brachten es mit dem McCarthyismus in Zusammenhang; ein Professor der Southern Methodist University erklärte, es zersetze unsere traditionelle Lebensweise noch radikaler als Kommunismus und Prostitution zusammen; und J. B. S. Haldane stellte sogar fest, es füge sich in die Pläne der amerikanischen Kriegshetzer ein, einen Atomkrieg vom Zaun zu brechen [53]. Führende Naturwissenschaftler unterstellten, Velikovsky unterstütze den Glauben an Zauberei, Hexen und Besessenheit durch Dämomen. Da allerdings eine große Zahl von Velikovskys Postulaten, insbesondere die, die er auf den letzten Seiten von Welten im Zusammenstoß als entscheidend bringt, sich durch nachfolgende Entdeckungen bestätigt haben, so besteht die neue Rückzugsstrategie in der Aussage, die man immer häufiger hört, die bestätigten Voraussagen seien nur Zufallstreffer: Daraus folgt, Velikovsky habe sich auf ein Vabanquespiel eingelassen und hätte es gewonnen. Der Vorwurf der Hexerei bleibt bestehen.
Über die Frage, was abergläubisches Denken bedeute, waren die Wissenschaftler lange Zeit nicht einig. »Ein echter Sohn der Aufklärung«, der große Naturforscher Buffon (1707-1788), eröffnete 1749 seine vielbändige Histoire naturelle, generale et particuliere, den umfassendsten Versuch seit Aristoteles, die ganzen Naturwissenschaften in einem Werk zu vereinigen, mit einem Verdammungsurteil über Whiston [54]. Unter diesem Ansturm brach Whistons Ruhm zusammen, während bis zu dieser Zeit Newtons Ansicht über die Geschichte des Sonnensystems unter den Gelehrten umstritten war [55]. Buffon war der Überzeugung, der Mechanismus planetarischer Bewegungen sei so gut durchdacht, daß für ihren Ursprung der Zufall nicht in Frage käme, und so vermutete er, ein Komet sei mit der Sonne zusammengestoßen und habe diesen Mechanismus in Gang gesetzt. Deshalb konnte er Whiston nicht aus Gründen der Mechanik widersprechen, sondern verlegte sich auf theologische Argumente. Nach einer ironischen Zusammenfassung von Whistons Hypothesen erklärte Buffon:
Zu diesem System, das ich so resümiert habe, daß nichts Wesentliches fehlt, möchte ich nur eine
Bemerkung machen. Wenn die Menschen so vermessen sind, eine physikalische Erklärung theologischer
Wahrheiten zu versuchen, wenn sie sich erlauben, die Heilige Schrift rein menschlich zu deuten . . . ,
dann müssen sie sich im Dunkel verlieren und in ein Chaos stürzen wie der, der dieses absonderliche
System erdacht hat, das trotz all seiner Absurditäten mit großem Beifall angenommen worden ist.
Whiston wurde lächerlich gemacht, weil er in astronomischen Fragen das Alte Testament zitiert hatte, und zugleich getadelt, weil er die Schöpfungsgeschichte, wie sie im 1. Buch Mose steht, nicht wörtlich genommen habe: »Er behauptet, die gängige Ansicht, die Schöpfung sei ein Werk von sechs Tagen, sei gänzlich falsch, und Moses' Beschreibung kein exakter und philosophischer Bericht über den Ursprung des Universums.« Zum ersten Punkt sagte Buffon, die wahren Naturforscher überließen die Auslegung der Heiligen Schrift den Theologen; was den zweiten Punkt angeht, so war er mit Newton einer Meinung: Das Sonnensystem sei so vorzüglich konstruiert, daß es »auf die vollkommenste Weise« funktioniere; es könne sich daher seit der Schöpfung nicht mehr verändert haben. Moderne Interpreten der Gedanken Buffons sind in Verlegenheit, denn er erscheint als krasser Materialist, und doch leitet er den vierten Band mit einem Brief an die Theologische Fakultät der Universität Paris ein, an dessen Anfang das Bekenntnis steht: »Ich erkläre, daß ich nicht die Absicht habe, dem Text der Heiligen Schrift zu widersprechen, daß ich fest an alles glaube, was sie über die Schöpfung schreibt, und das sowohl was die zeitliche Abfolge wie auch was die tatsächlichen Umstände angeht.[56] « In seinen Schriften setzte er sich eingehend mit den naturwissenschaftlichen Arbeitsmethoden auseinander und trat für den Standpunkt ein, Hypothesen dürften nur auf unermüdlichem Zusammentragen von Fakten, Dokumenten, Erfahrungen basieren. Aber anscheinend passen die Berichte von der Geschichte der Menschheit in keine dieser Kategorien, während bei Newtons Deutung der Fall anders liegt.
Buffons geistige Verwirrung ist noch heute unter den Naturwissenschaftlern anzutreffen: Kirtley F. Mather [57] , Edward U. Condon [58] und J: B. S. Haldane [59] unterstellten, Velikovsky sei ein Rationalist und ein Feind des religiösen Glaubens; viele, unter anderen Otto Struve, bezichtigten ihn, er versuche im Interesse eines religiösen Aberglaubens und eines biblischen Fundamentalismus die Naturwissenschaften zu untergraben. Es will scheinen, daß das odium theologale kein Monopol des sogenannten finsteren Mittelalters ist.
In seinem Buch The Eighteenth Century Confronts the Gods (Cambridge 1959) kam Frank Manuel der Wahrheit sehr nahe. Er gab zu, Newton sei in Streitereien über den tieferen Sinn antiker Mythologien verwickelt gewesen. Newton vertrat den Euhemerismus, die Theorie, nach der Mythen auf dem Leben historischer Persönlichkeiten aufgebaut sind. Durch diese Lehre hoffte Newton, alle Hinweise auf astronomische Ereignisse und Naturereignisse entkräften zu können Aspekte der Mythologie, die von seinen Gegnern immer wieder herangezogen wurden. Elegant hat Manuel die Ideen eines bedeutenden Widersachers von Newton zusammengefaßt, die Velikovsky aufgegriffen hat: Nicolas-Antoine Boulanger (1722-1759), der den Artikel »Sintflut« für die Encyclopedie verfaßt hat. Boulanger schrieb auch L'Antiquite devoilee par ses usages, ou examen critique des principales opinions, ceremonies et institutions religieuses et politiques des differens peuples de la terre (Amsterdam 1766).In diesem Buch erörterte er die Kosmogonien und Mythologien der verschiedenen geographisch weit auseinanderliegenden Völker wie Germanen, Griechen, Juden, Araber, Hindus, Chinesen, Japaner, Peruaner, Mexikaner und Kariben. Er kam zu dem Schluß, man könne aus Riten, Zeremonien und Mythen herauslesen, daß die Menschheit von einer Reihe kosmischer Katastrophen heimgesucht worden ist. Er stellte auch die geologischen und historischen Beweise in Rechnung. Diese Katastrophen hätten, so führt er aus, den menschlichen Geist geformt, und sie hätten unter anderem zu einem tiefsitzenden psychologischen Trauma geführt:
Noch heute zittern wir als Folge der Sinflut, Kirche und Staat geben die apokalyptischen Ideen unserer Urväter an uns weiter. Von Geschlecht zu Geschlecht pflanzt sich der Schrecken fort. Das Kind wird in alle Ewigkeit Angst haben vor dem, was die Vorväter geängstigt hat (111, 316).
In diesen Ängsten lag für Boulanger der Grund für die Neigung des Menschen zu ideologischer Intoleranz,
und die Reaktion aus Universitätskreisen auf Velikovskys Werk scheint diese These zu bestätigen:
Wir sehen darin den Ursprung dieser Schrecken, die durch alle Zeiten hindurch den von der Idee
einer Verwüstung der Welt besessenen menschlichen Geist geängstigt haben. Wir sehen darin die
Ursache für den zerstörerischen Fanatismus, für die Begeisterung, welche die Menschen dazu treibt,
die größten Verbrechen an sich selber und an den Mitmenschen zu begehen, für den Geist der Verfolgung
und Intoleranz, der unter dem Deckmantel des Eifers den Menschen glauben macht, er habe das Recht,
die zu quälen, die nicht mit ihm den gleichen himmlischen Herrscher anbeten, oder die nicht
die gleiche Ansicht über sein Wesen und seinen Kult haben wie er (III, 348-49).
Wenn man die Velikovsky-Affäre im Licht der Geschichte der Wissenschaft betrachtet, so ist sie gar nicht mehr so kompliziert. Velikovsky sah, was andere nicht sehen konnten, denn er verließ sich auf Beweise, die sie bewußt übergangen hatten, nämlich die gesammelten Zeugnisse menschlicher Erfahrung. Naturwissenschaftler, die diese Zeugnisse gering achten, versetzen sich in die gleiche Lage wie die früheren Astronomen, die glaubten, ein echter Wissenschaftler nehme doch kein Fernrohr in die Hand. In nur 13 Jahren hat eine Reihe grundlegender Entdeckungen, die Velikovsky vorausgesagt hat, den Wert seiner Methode bewiesen. Und man hätte voraussagen können, die akademische Welt werde auf seine Thesen mit unakademischer Wut, ja sogar mit persönlichen Verunglimpfungen reagieren: Es zeigt sich deutlich, daß Astronomen an einem speziellen Dogma festhalten, das mit der Schöpfungsgeschichte, wie die Bibel sie überliefert, eng verwandt ist, nämlich, daß das Sonnensystem seit seiner Erschaffung vor Äonen unverändert geblieben ist, und ihr Standpunkt hat notwendigerweise die Vorstellungen der Geologen und der historischen Biologen mitbestimmt. Dieses im Grunde theologische und nicht naturwissenschaftliche Dogma beruht auf Angst, wie schon Galilei und Laplace nachgewiesen haben. Alles deutet darauf hin, daß das Dogma unbegründet, aber die Angst real ist. Dies war der Hauptgrund für den langanhaltenden emotionalen Ausbruch, an dem fast alle Naturwissenschaftler in den fünfziger Jahren teil hatten, nach den Worten Sören Kierkegaards ein Ausbruch von »Furcht und Zittern«.
Jetzt ist es Zeit für eine nüchterne und sachliche Neubesinnung. Mit Recht nannte William James diejenigen »realistisch«, die sich den Tatsachen stellen, und für die Einförmigkeit und Regelmäßigkeit zu den apriorischen Kategorien zählen. Die Wissenschaftler, die wissenschaftlichen Gesellschaften, die Fachzeitschriften, die bei der Beurteilung von Velikovskys Thesen in manchen Fällen ganz entsetzlich gegen alle Regeln wissenschaftlicher Methodik verstoßen haben, sollten die törichte Haltung, die sie in der Vergangenheit an den Tag gelegt haben, aufgeben und eine systematische Erforschung dessen unterstützen, was die Zeugnisse aus der Antike für die Geschichte der Naturwissenschaften erbringen können. Durch seine ausgedehnten Untersuchungen antiker Berichte und Zeugnisse erkannte Newton selbst an, daß seine Behauptung, das Sonnensystem habe sich nicht entwickelt, mit dem historischen Beweis stehe und falle. Der Kern des Problems ist nicht, ob Velikovskys Deutung bestimmter historischer Ereignisse stimmt, sondern ob naturwissenschaftliches Beweismaterial aufgrund einer von einem Dogma bestimmten Prämisse in Bausch und Bogen abgelehnt werden kann.