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Alfred de Grazia:
(Herausgeber)


Die Velikovsky Affäre


Vorwort zur ersten Auflage

1950 verursachte ein Buch mit dem Titel Welten im Zusammenstoß von Dr. Immanuel Velikovsky in wissenschaftlichen und gebildeten Kreisen eine Kontroverse über wissenschaftliche Theorien und die Soziologie der Wissenschaft. Dr. Velikovskys historische und kosmologische Ideen stellten, gestützt von seiner anerkannten Bildung, einen ungeheuren Angriff auf gewisse etablierte Theorien der Astronomie, Geologie und historischen Biologie und auf die Helden dieser Wissenschaften dar. Selbst Newton und Darwin wurden in Frage gestellt und überhaupt die allgemeine Orthodoxie eines geordneten Universums. Der Kern der Velikovskyschen Gedanken wird im ersten Kapitel kurz skizziert.

Das sogenannte wissenschaftliche Establishment erhob sich nicht nur gegen die neuen Theorien Velikovskys, sondern gegen den Mann selbst. Es wurden Anstrengungen unternommen, der Verbreitung der Ideen Dr. Velikovskys Einhalt zu gebieten und sogar die zu bestrafen, die seine Forschungen unterstützten. Man trat mit Repressalien an Universitäten, wissenschaftliche Gesellschaften, Verlage und an die Presse heran; gesellschaftliche und berufliche Sanktionen wurden angedroht, um die öffentliche Meinung unter Kontrolle zu bringen. Es besteht kaum ein Zweifel daran, daß in einem totalitären Staat nicht nur Dr. Velikovskys Ruf, sondern auch sein Recht, seine Forschungen zu betreiben, und vielleicht auch seine persönliche Sicherheit auf dem Spiel gestanden hätten.

Dem »Establishment« gelang es, gleichsam eine Mauer der Ablehnung um ihn herum zu errichten: Für Tausende von Wissenschaftlern verbinden sich mit dem Namen Velikovsky Phantasterei, Sciencefiction und Publicity.

Er konnte nicht völlig unterdrückt werden. In den folgenden Jahren veröffentlichte er drei weitere Bücher. Er führte einen umfangreichen Briefwechsel. Und er fand Unterstützung bei einigen wenigen Freunden und beim breiten Publikum, das sich aus Personen zusammensetzte, die nicht zum wissenschaftlichen Establishment gehören. Die von Raumfahrzeugen durchgeführten Experimente trugen dazu bei, seine Argumente zu erhärten, ohne sie auch nur in einem einzigen Fall zu widerlegen. Am Ende waren die Gehässigkeit der Kontroverse, die Unterdrückungsbestrebungen und die Verleumdungskampagne in ihren Auswirkungen auf die Wissenschaft von ebenso großer Bedeutung wie die Kernfrage. Sozialwissenschaftler, die Dr. Velikovskys Werk und seine Bedeutung kaum zur Kenntnis genommen hatten, und die fast völlig unbeteiligt gewesen waren, fanden sich jetzt mitten im Konflikt.

Sozial- und Verhaltenswissenschaften waren weit stärker von den naturwissenschaftlichen Theorien Velikovskys betroffen, als man zuvor angenommen hatte. Die Sozialwissenschaften bildeten die Grundlage des Velikovskyschen Werks: Trotz seiner enormen naturwissenschaftlichen Kenntnisse brauchte Velikovsky für seinen Angriff auf etablierte kosmologische Theorien die Methodologie der Sozialwissenschaften. Niemand behauptet, daß diese Methode ausreicht. Neue Formen interdisziplinärer Forschung sind nötig, um z. B. das Studium der Mythen mit dem Studium der Meteoriten zu verbinden. Man muß auch nicht der Ansicht beipflichten, daß Velikovsky die Mythologie souverän handhabt, selbst wenn man ihm die Fähigkeit zuerkennt, begrifflich zu denken und Synthesen zu finden. Was auch immer der wissenschaftliche Kern war, die Kontroverse als solche konnte die Verhaltenswissenschaft weder vermeiden noch beenden. Der Machtanspruch der Wissenschaft ist eines der Probleme, die im zwanzigsten Jahrhundert am heftigsten diskutiert werden. Die Streitfragen sind klar: Wer bestimmt, was wissenschaftliche Wahrheit ist? Wer sind die Hohenpriester der Wissenschaft, und was ist ihre Legitimation? Wie legen sie ihre Vorschriften fest? Welche Auswirkungen haben sie auf die Freiheit der Forschung und auf das öffentliche Interesse? Am Ende wird ein Urteil über das Verhalten der wissenschaftlichen Welt gefällt werden müssen, sollte es negativ ausfallen, so wird man sich Gedanken machen müssen, wie dem abzuhelfen ist.

Dies waren die Voraussetzungen, unter denen der American Behavioural Scientist in einem Sonderheft drei Aufsätze veröffentlichte, die die Kontroverse um Velikovsky zum Inhalt hatten. Der erste, von Ralph Juergens, erzählt die Geschichte Dr. Velikovkys von ihren Anfängen bis zur Gegenwart; erzählt etwas von dem Menschen und seiner Arbeit. Der zweite, von Livio Stecchini, analysiert die Ursachen der Kontroverse in der wissenschaftlichen Vergangenheit. Ein dritter, aus der Feder des Herausgebers, untersucht die Möglichkeiten, neue Entdeckungen in das Gebiet der Wissenschaft einzubringen, und macht Vorschläge für eine Reform des gegenwärtigen Verfahrens.

Der American Behavioral Scientist stürzte sich nicht kopfüber in die Kontroverse. Die Aufsätze wurden von einer Reihe angesehener Natur und Geisteswissenschaftler gelesen, die natürlich weder unbedingt alle Ansichten der Verfasser teilten noch unbedingt den Ansichten Dr. Velikovskys beipflichteten. Einig waren sie sich jedoch über die Nützlichkeit der Veröffentlichung. Ihre allgemeine Hilfe und Ermutigung wer den jetzt noch einmal dankbar anerkannt, da die Studien als Buch erscheinen. Unser Dank gilt:


HADLEY CANTRIL, Vorsitzender des Verwaltungsrats des Institute for International Social Research; ehemaliger Präsident der Society for the Psychological Study of Social Issues;

SALVADOR DE MADARIAGA, Fellow h. c. des Exeter College, Oxford; LUTHER H. EVANS, Direktor der internationalen und der Rechtssammlung, Columbia University; ehemaliger Generaldirektor der UNESCO;

MOSES HADAS, Professor der Gräzistik, Columbia University;

R. H. HILLENKOETTER, Vizeadmiral i. R. der US-Marine; ehemaliger Direktor der Central Intelligence Agency;

HORACE M. KALLEN, von der Vorlesungstätigkeit beurlaubter Professor mit Forschungsauftrag auf dem Gebiet der Sozialphilosophie, New School for Social Research; ehemallger Präsident der Society for the Scientific Study of Religion;

HAROLD D. LASSWELL, Professor der Rechtswissenschaft und Politologie, Yale University Law School; ehemaliger Präsident der American, Political Science Association;

HAROLD S. LATHAM, ehemaliger Cheflektor und Vizepräsident der Macmillan Co.;

PHILIP WITTENBERG, Partner bei Wittenberg, Carrington und Weinberger.


Die Veröffentlichung der Aufsätze löste sofort Reaktionen aus. Zahlreiche Wissenschaftler, Naturwissenschaftler ebenso wie Sozialwissenschaftler, haben an den American Behavioral Scientist geschrieben und sich im großen und ganzen positiv darüber geäußert, daß die Angelegenheit der wissenschaftlichen öffentlichkeit vorgelegt worden ist. Die gesamte Dokumentation wird in der Hoffnung aufbewahrt, daß die Archive für künftige Diskussionen von Nutzen sein werden. Viel neues Material ist im vorliegenden Buch verarbeitet. In einem neuen Aufsatz hat Ralph Juergens die Geschichte der Velikovsky-Affäre aktualisiert. Auch von Dr. Livio Stecchini ist ein neuer Beitrag abgedruckt, der an seinen ersten Aufsatz anknüpft, und in dem es um die Anwendung historischer Daten auf astronomische Theorien geht. Wir veröffentlichen hier auch Dr. Velikovskys eigenen Artikel aus dem Sonderheft des American Behavioral Scientist.

Der Fall Velikovsky ist in keiner Weise abgeschlossen. Warum auch?! Unbeirrt von den Angriffen auf ihn und von den Knüppeln, die man ihm zwischen die Beine wirft, gehen Dr. Velikovskys Forschungen weiter. Verschiedene Werke von ihm stehen kurz vor der Vollendung: drei über den Kern seiner Theorien, andere mit einem allgemeinen autobiographischen Inhalt. Er bleibt ein treuer und unermüdlicher Briefpartner, und seine Berichte lassen auf neue Herausforderungen schließen.

Es ist unsere Hoffnung, daß nach der Veröffentlichung dieser Arbeiten im vorliegenden Buch sein neues Werk nicht mehr so leicht unterdrückt oder geringschätzig abgetan werden kann. Wir hoffen auch, daß die Aufsätze überall Wissenschaftlern und interessierten Laien helfen werden, in die Probleme einzudringen und die Irrtümer des Großunternehmens Wissenschaft zu berichtigen.


ALFRED DE GRAZIA
1966



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