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Alfred de Grazia:
(Herausgeber)


Die Velikovsky Affäre


Ralph E. Juergens

Der Streit geht weiter


»Meinungen im Chaos« erschien im Septemberheft 1963 der Zeitschrift The American Behavioral Scientist und berichtete über mehr als ein Jahrzehnt der Kontroverse um die Werke Velikovskys. Aber die Geschichte ist 1963 noch nicht zu Ende. Nachfolgende Ereignisse - zum großen Teil durch den Aufsatz im Behavioral Scientist ausgelöst - werden zu neuen Kapiteln, und das von den Wissenschaftlern so sehr gepflegte Image der Objektivität büßt noch mehr von seinem Glanz ein, als diese späteren Ereignisse an Perspektive gewinnen. Die Geschichte hat ihre Licht- und Schattenseiten, aber im strahlenden Licht neuer Erkenntnisse auf vielen Gebieten erscheinen die Schatten, die Repression und Verleumdung werfen, dunkler als je zuvor.

Wenn wir diese Ereignisse richtig einordnen wollen, müssen wir ein wenig weiter zurückgehen. Im August 1963 - einen Monat bevor das Velikovsky-Heft des Behavioral Scientist erschien - stand in Harper's Magazine ein Artikel von Eric Larrabee mit der Überschrift »Wissenschaftler im Zusammenstoß«. Mit seinem Aufsatz von 1950 in der gleichen Zeitschrift fing die Kontroverse an. Jetzt, 13 Jahre später, hielt Larrabee es für angebracht, alle Argumente, die für Velikovsky sprachen und die These von Welten im Zusammenstoß erhärteten, einmal klar herauszustellen, indem er neue Entdeckungen auf den Gebieten Astronomie, Weltraumforschung, Geologie und Geophysik als Beweise heranzog.

Wie die Verfasser der Artikel im Behavioral Scientist wies auch Larrabee auf einen Brief an Science vom 21. Dezember 1962 hin, in dem Valentin Bargmann, Physiker an der Princeton University, und Lloyd Motz, Astronom an der Columbia University, ihren Kollegen dringend nahelegten, endlich zur Kenntnis zu nehmen, daß Velikovsky als erster drei ganz bedeutende Entdeckungen vorausgesehen habe: (1) die hohe Temperatur des Planeten Venus; (2) die Ausstrahlung von Radiostrahlung durch den Jupiter; und (3) die ungeheure Reichweite des Magnetfelds der Erde in den Weltraum.

Der Ruf von Bargmann und Motz nach wissenschaftlicher Fairneß verhallte in den entsprechenden Zeitschriftenredaktionen ungehört [1] [2] , obwohl beinahe gleichzeitig die Venussonde Mariner II alle Zweifel an der Realität hoher Temperaturen auf der Venus beseitigte und Velikovskys Ansicht - er hatte sie schon 1945 geäußert - erhärtete, die atmosphärische Hülle der Venus bestehe aus Kohlenwasserstoffen in Form von Gasen und Staub. Als Larrabee merkte, daß eine Diskussion über solche Themen in diesen Zeitschriften immer noch tabu war, wandte er sich noch einmal an Harper's Magazine.

Larrabee schrieb: »Obwohl die Mehrzahl der Wissenschaftler den Fall Velikovsky ad acta gelegt hat, gab die Entwicklung der Wissenschaft ihm mehr und mehr recht. Theorien, die so ungeheuerlich erschienen, als er sie aufstellte, sind nun gang und gäbe . . . Fast jede zentrale Idee Velikovskys - für sich genommen und ohne die Schlußfolgerungen - wird heute ernsthaft von bedeutenden Wissenschaftlern vertreten ... Weil die Wissenschaftler ihn in ihrer Gesamtheit abgelehnt und totgeschwiegen haben, müssen sie jetzt einen schmerzlichen Prozeß des Umdenkens durchmachen.«

Beinahe unmittelbar darauf antwortete ihm Donald Menzel, der Direktor des Harvard-College-Observatoriums. Dieser emotionsgeladene Essay ging als unverlangtes Manuskript in der Redaktion von Harper's Magazine ein . Kaum war er da, zog der Autor ihn wieder zurück und schickte dafür eine Fassung mit weniger Ausfällen gegen Larrabee, dafür aber um so mehr gegen Velikovsky. Der Artikel (er erschien im Dezember 1963) war so beleidigend, daß der Herausgeber von Harper's Magazine einen Satz strich. Er lautete: »Man hat Velikovsky genausowenig Glauben geschenkt wie seinerzeit dem Dr. Brinkley mit seiner Ziegendrüsentheorie oder den Tausenden von der American Medical Association als Scharlatane Entlarvten, die aus der Not der Menschen Kapital schlagen wollten und ihnen für teures Geld völlig wertlose Mittelchen und Apparaturen verkauften.«

Menzel ärgerte sich über den seines Erachtens »überflüssigen« Brief von Bargmann und Motz im Science. Auf Larrabee hatte er anscheinend deshalb eine Wut, weil dieser in einem völlig neutralen Absatz auf eine Situation angespielt hatte, die einer gewissen Ironie nicht entbehrte: 1952 brachten die Sitzungsberichte der American Philosophical Society Berechnungen Menzels, die beweisen sollten, daß die Sonne, wenn Velikovskys Theorie der elektromagnetischen Kräfte im Sonnensystem stimmte, eine Oberflächenspannung von 10 hoch 19 Volt, also 10 Milliardenmilliarden Volt haben müsse - nach Ansicht des Astronomen völlig ausgeschlossen. Aber 1960 behauptete V. A. Bailey, emeritierter Professor für Physik an der Universität Sydney, die Sonne habe eine elektrische Ladung, und sie habe eine Oberflächenspannung von 10 hoch 19 Volt - also genau der Wert, den Menzel errechnet hatte. Bailey kannte zu der Zeit, als er seine Theorie aufstellte, Velikovskys Werk und seine Ablehnung durch Menzel gar nicht. (Professor Bailey starb am 7. Dezember 1964 in der Schweiz. Er war auf der Durchreise nach den Vereinigten Staaten, wo er hoffte, es könnten Weltraumexperimente durchgeführt werden, die seine Hypothesen überprüften.)

Der Gedanke, seine »quantitative Widerlegung der wilden Hypothesen Velikovskys« - so nannte er 1952 selbst seinen Beitrag zu den Sitzungsberichten - werde einmal dazu dienen, Velikovskys Thesen zu bestätigen, erschien dem Astronomen von Harvard unerträglich. Deshalb schickte er eine Kopie seines Artikels in Harper's Magazine an Bailey. In seinem Begleitbrief bat er ihn, seine Theorie der elektrischen Ladung der Sonne zurückzunehmen. Diese Theorie lasse die ständigen Bemühungen Menzels und seiner Kollegen, Velikovsky zu diskreditieren, in einem ungünstigen Licht erscheinen, und Menzel deutete an, in Baileys Arbeit sei seiner Meinung nach ein Irrtum enthalten.

Professor Bailey war von dem Ansinnen gar nicht erbaut, er solle seine eigene Arbeit abbrechen, um damit der Anti-Velikovsky-Front einen Gefallen zu tun. Er schrieb einen Artikel, in dem er Menzel widerlegte, und schickte ihn an Harper's Magazine. Bailey hatte in Menzels Berechnungen einen Fehler entdeckt, der dessen Argument hinfällig machte.

Der Herausgeber von Harper's Magazine, ganz offensichtlich völlig überrascht von der Heftigkeit der Kontroverse, die Larrabees Artikel entfacht hatte, lehnte Baileys Beitrag ab. Er erklärte sich aber bereit, einige Bemerkungen abzudrucken, wenn sie in einem kurzen Brief zusammengefaßt würden. Gleichzeitig durfte Menzel den Rechenfehler, auf den Bailey hingewiesen hatte, verbessern. Das tat er auch, ohne anzuerkennen, welchen Nutzen für seine Beweisführung diese Verbesserung bedeutete. Larrabee protestierte gegen die Art, wie man Baileys Widerlegung auswertete, und zunächst durfte Menzel den Beweis für seine Nachlässigkeit auch nicht tilgen. Aber nach weiterem Drängen wurde der Fehler berichtigt.

Die Geisteshaltung des Astronomieprofessors der Harvard University läßt sich an seinen Äußerungen über die Richtigkeit der Voraussagen Velikovskys ablesen. Im Zusammenhang mit der Radiostrahlung vom Jupiter schrieb Menzel, da die meisten Wissenschaftler die Theorie von Welten im Zusammenstoß nicht akzeptierten, »ist jede scheinbare Bestätigung von Velikovskys Voraussagen ein purer Zufall«. Was die hohen Temperaturen auf der Venus angehe, so machte der Astronom geltend, »heiß« sei ein sehr relativer Begriff. Beispielsweise sei flüssige Luft (-196°C) heiß im Vergleich zu flüssigem Helium (-269°C). An einer anderen Stelle seines Artikels bezog sich Menzel dann auf diesen Vergleich: »Ich habe das Problem der Temperatur der Venus bereits erledigt.«

Das war alles, was Menzel über die Temperatur der Venus zu sagen hatte, obwohl er selber 1955 seine Schätzung der Bodentemperatur der Venus auf etwa 50°C, die er zwei Jahrzehnte vorher gemacht hatte, revidierte. Zur Erklärung seiner Revision sagte er, die Temperatur müsse sehr viel niedriger sein. Noch 1959 schätzte man die Bodentemperatur auf 17° C. Mariner II bewies, sie sei mindestens 430° C.

Über die Ausdehnung des Magnetfelds der Erde schrieb Menzel-. »Er (Velikovsky) sagte, es erstrecke sich bis zum Mond; aber in Wirklichkeit bricht das Feld in einer Entfernung von mehreren Erddurchmessern plötzlich ab.«

Über ein Jahr vorher fühlte Menzel sich berufen, Larrabee zu antworten, der Satellit Explorer X habe in einer Entfernung von mindestens 22 Erddurchmessern das Magnetfeld der Erde nachgewiesen, und daraus könne man nicht schließen, dies sei sein Endpunkt. In jüngster Zeit haben die Satelliten des Interplanetary Monitoring Platform - besonders IPMI - herausgefunden, die Magnetosphäre der Erde erstrecke sich »mindestens bis zur Umlaufbahn des Mondes« (Missiles and Rockets, 18.Januar 1965).

Larrabee beschränkte sich in seiner Entgegnung auf einen Artikel von nur einer Seite in derselben Nummer von Harper's Magazine. Er führte darin aus: »Wo es um Fakten geht, ist Dr. Menzel entweder irreführend oder falsch informiert. « Das Resümee, das folgte, ist ein klassisches Beispiel dafür, wie die Argumente eines Naturwissenschaftlers durch einen naturwissenschaftlichen Laien zunichte gemacht werden können; das ist um so bemerkenswerter, weil nämlich Menzels Hauptargument war, Laien verstünden nichts von wissenschaftlichen Problemen und Methoden; sie sollten in ihre Grenzen verwiesen werden, wenn sie sich in der öffentlichkeit in wissenschaftliche Debatten einmischten. Die folgenden Beispiele zeigen, wie erfolgreich Larrabees Attacke war:

Menzel behauptete, Astronomen hätten schon längst vor Velikovsky das Vorhandensein von elektrisch aufgeladenem Gas und von Magnetfeldern im interplanetarischen Raum erkannt. Larrabee zitierte, was Menzel 1953 geschrieben hatte: »Tatsächlich würde die Gesamtzahl der Elektronen, die aus der Sonne entweichen können, eine Einzellen-Taschenlampe weniger als eine Minute brennen lassen.«

Menzel behauptete ferner, die Van-Allen-Gürtel enthielten eine gleiche Zahl von positiv und negativ geladenen Teilchen. Larrabee bemerkt dazu, daß Van Allen, der Entdecker dieser Gürtel, zugibt, dies sei eine Annahme, für die es keinen experimentellen Nachweis gebe.

Menzel versuchte, das elektrische Feld im Weltraum in Erdnähe zu berechnen, das durch eine Ladung der Sonne von der Größenordnung, wie Bailey sie annehme, entstehen würde. Larrabee antwortete, der Berechnung läge die irrige Ansicht zugrunde, der Weltraum sei ein nichtleitendes Medium.

Menzel erklärte, Bewegungen von Satelliten würden nicht durch elektromagnetische Kräfte gestört. Larrabee führte als Beispiel die Veröffentlichungen einer Reihe von Weltraumfahrern zum Beweis dafür an, daß das Vorhandensein von elektrisch geladenen Teilchen und Magnetfeldern auf Orbital- und Rotationsbewegungen einwirke.

Menzel argumentierte, die Störung der Erdrotation durch Sonneneruptionen sei auf eine zeitweilige Erwärmung und Ausdehnung der Erde zurückzuführen und nicht auf die Wirkung elektromagnetischer Kräfte. Larrabee konterte mit dem Hinweis, Professor Andre Danjon, der Entdecker dieses Phänomens, habe die Wärmewirkungen geschätzt und sie gänzlich ungenügend gefunden; Danjon sei zu dem Schluß gekommen, Elektromagnetismus sei die einzig wahrscheinliche Ursache.

Menzel versteifte sich auf seinen früheren Standpunkt, die Hülle der Venus bestehe aus Eiskristallen, und er spottete über Velikovskys Annahme von 1950 - er hatte sie in Wirklichkeit schon 1946 in Briefen an die Astronomen Harlow Shapley, Rupert Wildt und Walter S. Adams geäußert -, Kohlenwasserstoffe müßten in der Hülle vorherrschen. Larrabee verwies den Astronomieprofessor von der Harvard University auf eine Reihe von Veröffentlichungen, unter anderem auf den offiziellen Bericht über den Flug von Mariner 11 zur Venus, in dem festgestellt wird, die Wolken der Venus bestünden aus kondensierten Kohlenwasserstoffen.

Zusammenfassend schrieb Larrabee: »Velikovsky bietet Beweismaterial aus zahlreichen Fachgebieten, insbesondere aus Geologie und Archäologie. Indem er die Barrieren zwischen den Disziplinen niederreißt, kommt er zu Ergebnissen, zu denen keine Disziplin für sich allein gekommen ist. Darin besteht seine eigentliche Herausforderung, und sie ist fundamental.«

In dem begrenzten Raum, der seinem Brief im Januarheft 1964 von Harper's Magazine eingeräumt wurde, äußerte Professor Bailey sein Befremden darüber, »daß Professor Menzel die eindrucksvollen Aussagen des namhaften Wissenschaftlers Professor H. H. Hess von der Princeton University über den Wert von Dr. Velikovskys Voraussagen völlig ignoriert«. Bailey merkte an, Menzels Ablehnung der Theorie über das Vorhandensein elektrischer Ladung auf der Sonne »sei nicht überzeugend«: »Sie beruht auf veralteten Anschauungen über die materielle Beschaffenheit des interplanetarischen Raums und auf der unbewiesenen Annahme, die irdischen Gesetze des elektrodynamischen Feldes ließen sich so ohne weiteres auf Himmelskörper übertragen, die wie die Sonne in ihren Dimensionen und Temperaturen von denen der Erde abweichen.« Nach Baileys Meinung »zwingen wichtige neue Fakten die Wissenschaftler dazu, skeptisch gegenüber den astronomischen Vorstellungen zu sein, die ihnen geläufig waren, bevor die Weltraumforschung neue wirksame Beobachtungsmethoden entwickelt und damit unseren Wissensstand erweitert hat«.

In seiner Entgegnung auf Larrabees Aufsatz betonte der Astronom Lloyd Motz im Oktoberheft 1963 von Harper's Magazine, er wolle deutlich machen, daß er Velikovskys Theorien ablehne. Trotzdem stellte er fest: »Er hat das Recht - und dafür trete ich ein -, seine Ideen zu veröffentlichen, und den Anspruch darauf, daß sie von verantwortungsbewußten Geistes- und Naturwissenschaftlern als Schöpfung eines ernsthaften und engagierten Forschers respektiert werden . . . Seine Schriften sollte man sorgfältig lesen und durchdenken, denn sie sind das Erzeugnis eines außergewöhnlichen und hervorragenden Denkers und beruhen auf einem umfassenden und tiefschürfenden Wissen.«


Die Debatte wurde in den August-, Oktober- und Dezemberheften 1963 und im Januarheft 1964 von Harper's Magazine fortgesetzt. Zur gleichen Zeit schlug ein weiterer Versuch, die Ablehnungsfront der Herausgeber wissenschaftlicher Zeitschriften zu durchbrechen, fehl.

Im Frühjahr 1963 hatte Velikovsky Grund anzunehmen, daß die Bestätigungen vieler seiner bisher als ketzerisch geltenden Voraussagen und die noch eindrucksvollere Tatsache, daß keine seiner Voraussagen widerlegt worden war, die Wissenschaftler zu einer Änderung ihrer Einstellung ihm gegenüber bewogen hätten, und daß er nun endlich Eingang in ihre Zeitschriften finden würde. Ungeachtet der Tatsache, daß sein Aufsatz »Einige weitere Beispiele richtiger Voraussagen« von Philip Abelson, dem Herausgeber von Science , abgelehnt worden war, schrieb Velikovsky einen neuen Artikel »Venus, ein junger Planet«. H. H. Hess, in diesem Jahr Präsident der American Geological Society, erbot sich, den neuen Artikel an die American Philosophical Society weiterzuleiten und ihnen als Mitglied zu empfehlen, ihn in die Jahrbücher aufzunehmen.

Allein die Tatsache, daß dieser Beitrag von Velikovsky stammte, scheint einen Aufruhr ausgelöst zu haben, der fast zur Spaltung der Gesellschaft führte, ehe die erhitzten Gemüter sich wieder beruhigten.

Glück und Unglück von Dr. Velikovskys Aufsatz während des halben Jahrs, das er bei der Philosophical Society lag, gehen teilweise aus Erklärungen von zwei Leuten hervor- George W. Corner und Edwin G. Boring. Beide hatten schon vorher eine gewisse Rolle in der Velikovsky-Affäre gespielt, über die bisher noch nicht berichtet wurde.

1952 führte Corner den Vorsitz bei einem Symposion über unorthodoxe Ansichten in den modernen Wissenschaften anläßlich der Jahrestagung der Philosophical Society. Er hatte Velikovsky gestattet, ans Rednerpult zu treten, um nach der Verlesung eines Referats, in dem sich die Astronomin Cecilia Payne-Gaposchkin in einer heftigen und unverantwortlichen Art und Weise über Welten im Zusammenstoß ausgelassen hatte, seinerseits Stellung zu nehmen. Dieses bißchen Fair play von seiten Corners wurde vom Veröffentlichungsausschuß der Gesellschaft nicht honoriert; Velikovskys Richtigstellung von Gaposchkins falschen Zitaten durfte nicht im Jahrbuch erscheinen. (Vgl. S. 23 i ff. zum Textvergleich - Welten im Zusammenstoß kontra Gaposchkins angebliche Zitate aus diesem Buch.) 1963 war Corner Vizepräsident dieser Gesellschaft und Herausgeber der Jahrbücher geworden. Velikovskys Artikel über die Venus kam unmittelbar zu Corner. Nachdem Hess den Aufsatz übersandt hatte, verlautete mehrere Monate gar nichts über seine Verwendung. In der Zwischenzeit erschienen Larrabees Artikel in Harper's Magazine und auch das Sonderheft des Behavioral Scientist, das die »Interessenpolitik der Wissenschaften und Dr. Velikovsky« zum Thema hatte. Sicherlich gelangten beide wenigstens einigen Mitgliedern des Veröffentlichungsausschusses zur Kenntnis.

In einem Brief vom 15. Oktober 1963 erstattete Corner Hess Bericht. Im Veröffentlichungsausschuß, der in mehreren Sitzungen Velikovskys Aufsatz »ausführlich« erörtert hatte, kam es zu einem Patt. Der Ausschuß spaltete sich in zwei Lager, die einander heftig befehdeten. Keiner wollte dem anderen nachgeben. Corner teilte Hess mit, er sei »beauftragt worden, sich von mehreren verantwortungsbewußten Natur- und Geisteswissenschaftlern, die Mitglieder der Gesellschaft sind, beraten zu lassen«. Sie dürften aber nicht dem Veröffentlichungsausschuß angehören. Er versprach, Hess über die weiteren Entwicklungen auf dem laufenden zu halten.

Zusammen mit Cecilia Gaposchkin und I. Bernard Cohen, Professor für die Geschichte der Wissenschaften, war Edwin Boring, Professor für Psychologie, als Redner für das Symposion von 1952 nominiert. Somit hatten Professoren der Harvard University das Übergewicht. In seiner Rede und auch in der in den Jahrbüchern gedruckten Fassung machte sich Boring weidlich über Velikovsky lustig. Zwei Jahre später zählte er in einem Aufsatz im Oktoberheft 1954 des American Scientist Velikovsky zu den Leuten, die aus reiner Selbstgefälligkeit noch an Ideen festhalten, auch wenn diese schon längst widerlegt sind.

Jetzt allerdings änderte Boring seine Haltung. Bei einem Besuch im George Peabody College im Herbst 1963 gab er seinem neuen Gefühl über »die ganze Schweinerei«, die im Behavioral Scientist ans Licht gekommen war, Ausdruck. Besonders kritisierte er die Rolle Harlow Shapleys dabei. Im Peabody College gab Boring preis, im Veröffentlichungsausschuß hätte es erbitterte Debatten darüber gegeben, ob man Velikovskys Aufsatz bringen solle oder nicht. Er sagte, es werde in den Jahrbüchern eine Rubrik »Briefe« geben, und er sei als verantwortlicher Redakteur vorgesehen. Eine solche Rubrik bezeichnete Boring als das »geeignete Medium« für den umstrittenen Aufsatz, und der würde den Anfang machen. Auf diese Weise könne man den Artikel veröffentlichen, ohne daß dies gleichzeitig die ausdrückliche Genehmigung durch die Gesellschaft bedeute.

Doch auch dieser rettende Kompromiß funktionierte nicht. In einem Brief vom 20. Januar 1964 berichtete Corner an Hess: »Der Veröffentlichungsausschuß . . . hat sich lange und eingehend mit dem kurzen Manuskript von Dr. Velikovsky befaßt ... Im Lauf der letzten Monate legte ich im Auftrag des Ausschusses den Aufsatz einem bedeutenden Historiker der Wissenschaften, einem ebenso namhaften Soziologen und einem bedeutenden Astronomen vor; alle drei gehören nicht zu den Kritikern Dr. Velikovskys. Nach langen Beratungen, bei denen jede nur denkbare Möglichkeit geprüft wurde, wie man die Angelegenheit regeln könne, entschied der Ausschuß, die Gesellschaft solle diesen Aufsatz nicht publizieren . . . «



»Die Interessenpolitik der Wissenschaftler und Dr. Velikovsky« erschien im Septemberheft 1963 des American Behavioral Scientist und wurde schnell Gegenstand hitziger Debatten in den Colleges überall im Land. Zum erstenmal war die Geschichte der Unterdrückung von Welten im Zusammenstoß dokumentarisch belegt worden. Die Erstauflage des Hefts, an sich schon höher als gewöhnlich, war schnell vergriffen. Die intensive Nachfrage hielt an, also machte man eine zweite Auflage.

Die Leserreaktion war überwiegend positiv. Eine Anzahl von Gelehrten und Vorsitzenden von Stiftungen schrieb zustimmende Briefe an den Herausgeber Alfred de Grazia. Andere schrieben direkt an Velikovsky und gaben der Hoffnung Ausdruck, er werde bald die gebührende Anerkennung für seinen Beitrag zum Wissen der Menschheit finden. Eine der wenigen Mißfallensäußerungen stand in einem Brief von Warren Weaver, einem Vizepräsidenten der Alfred-P.-Sloan-Stiftung, an den Verfasser dieses Artikels. Weaver erklärte, er sei »erstaunt, enttäuscht, ja entsetzt darüber, daß die seriöse Zeitschrift American Behavioral Scientist so viel Raum verschwende für eine Serie derartiger Artikel«. Das war das erstemal (es passierte freilich noch öfter), daß der Stiftungsrat der Sloan-Stiftung sich als Ausschuß zur Wahrung der öffentlichen Sicherheit gegen die Ideen Velikovskys konstituierte.

Bernard Barber, Professor am Barnard College der Columbia University, berichtete wenige Wochen nach Erscheinen des Hefts: »Ihr Velikovsky-Heft hat mir bei meinem Seminar über die Soziologie des Wissens schon sehr gute Dienste geleistet zusammen mit meinem Aufsatz über den Widerstand der Wissenschaftler gegenüber wissenschaftlichen Entdeckungen. «

Charles Perrow, Außerordentlicher Professor an der Graduate School of Public and International Affairs der Universität Pittsburgh, brachte seine Überzeugung zum Ausdruck, das Velikovsky-Heft des American Behavioral Scientist sollte »für alle Kurse in den Sozialwissenschaften zur Pflichtlektüre gemacht werden«.

G. A. Lundberg von der Universität Washington schrieb: »Es erscheint mir notwendig, daß die American Association for the Advancement of Science, ganz zu schweigen von einzelnen Wissenschaftlern und Gruppen, sich um eine detaillierte Antwort bemüht. Um was es dabei wirklich geht, ist die Art und Weise, wie anerkannte Sprecher der Wissenschaften auf neue wissenschaftliche Ideen reagieren.«

Es war in der Tat verlockend für die Sprecher der Wissenschaft, den Fehdehandschuh aufzunehmen, den ihnen der American Behavioral Scientist hingeworfen hatte. Professor Menzel, der es übernommen hatte, auf Larrabees Artikel in Harper's Magazine zu antworten, hatte zwar nach Meinung vieler seiner Kollegen bei diesem Schlagabtausch keine sonderlich gute Figur abgegeben, aber diesmal könnte eine zurückhaltendere und ausgewogenere Antwort auf den Artikel im American Behavioral Scientist eine durchschlagende Wirkung erzielen.

Die Einwände gegen das Verhalten der Wissenschaftler betrafen im wesentlichen Fragen der Ethik. So schien es ganz natürlich, das Bulletin of the Atomic Scientists, eine Zeitschrift, die sich stolz »das Gewissen der Wissenschaft« nennt, als Forum für die Behandlung dieser Fragen zu wählen. Das Bulletin hat einen Leserkreis von mehr als 25000, unter ihnen die meisten führenden Wissenschaftler der ganzen Welt. Es hat einen guten Ruf und daher die Verpflichtung, nach der Interessenpolitik der Wissenschaft zu fragen, d. h. eine objektive Selbstdarstellung in Fragen des Berufsethos der Wissenschaftler zu fordern. Man kann in dieser Zeitschrift Irrtümer zugeben wie auch Ideen vertreten, die das Image der Wissenschaft verbessern; daher ist sie der geeignete Ort einer Auseinandersetzung mit den Fragen im Fall Velikovsky. Leider widersetzte sich das Bulletin dem Vorschlag, Velikovsky gegenüber Fairneß zu zeigen. Wie Eugene Rabinovitch, der Herausgeber des Bulletin, am 8. September 1964 an Professor H. H. Hess schrieb, mußte man einem weitverbreiteten wiedererwachenden Interesse an Velikovskys Theorien entgegentreten und auch der Tatsache, daß der American Behavioral Scientist sich für ihn als Weisen einsetzte. Rabinovitch sah es als seine vornehmste Aufgabe an, sich mit denjenigen seiner Kollegen zu solidarisieren, denen man in aller öffentlichkeit den Vorwurf gemacht hatte, sie unterdrückten Velikovsky.

Rabinovitch gab Howard Margolis, dem Washingtoner Korrespondenten seiner Zeitschrift - er war kein ausgebildeter Wissenschaftler -, den Auftrag, die Attacke gegen den American Behavioral Scientist und Velikovsky zu reiten: Margolis griff auf Methoden zurück, wie sie schon früher bei dem Protestgeschrei gegen Welten im Zusammenstoß üblich waren und Erfolg gehabt hatten. Sein pöbelhafter und ganz und gar unverantwortlicher Artikel »Velikovsky reitet wieder« im Aprilheft 1964 des Bulletin strotzt nur so vor Falschdarstellungen und falschen Zitaten, hämischen Seitenhieben, völlig aus der Luft gegriffenen Vorwürfen, und er stellt in dogmatischer Weise überkommene Theorien als Tatsachen hin. Margolis verlegte sich darauf, Fragen aus den Gebieten Philologie und Ägyptologie abzuhandeln - in beiden kannte er sich nicht gut aus, aber sie übten eine unwiderstehliche Anziehungskraft aus. Man konnte von den meisten Lesern des Bulletin annehmen, sie wüßten ebensowenig Bescheid und seien daher auf die Integrität von Herausgeber und Autor angewiesen.

Da Margolis nicht einmal soviel Französisch konnte, um eine von Velikovskys Quellen lesen zu können, schwafelte er einfach dummdreist daher: »Wenn man sich nun den Text der Inschriften genau ansieht . . . « - und redete wirres Zeug über Velikovskys Deutung eines Hieroglyphentextes, den man bei El-Arisch in Ägypten gefunden hatte. Diese Inschrift auf Stein berichtet von Sturm und Finsternis und dem Tod eines Pharaos in einem Strudel. Der Ortsname Pi-Kharoti taucht in dieser Inschrift auf, und der Name Pi-ha-Khiroth wird im 2. Buch Mose erwähnt als die Stelle, wo die Israeliten durchs Rote Meer zogen. In Welten im Zusammenstoß vertrat Velikovsky die Ansicht, daß beide Namen die gleiche Stelle bezeichnen. Auf diese Ansicht ging er in Zeitalter im Chaos näher ein, was Margolis aber gar nicht wußte. Dieser Name erscheint je nur einmal auf einem ägyptischen Monument und in der Bibel. Im Zusammenhang damit berichten beide Quellen von Sturm und Finsternis und von einem Pharao, der im Wasser den Tod fand.

Aus Margolis' verworrenen Argumenten wird nur deutlich, daß er nicht weiß, daß die ägyptische Schrift keine Vokale kennt, und daß ihm nicht bekannt ist, daß »ha« im Hebräischen der bestimmte Artikel ist. Ironischerweise wählte der Washingtoner Korrespondent des Bulletin als Angriffspunkt auf Velikovsky eine Schlußfolgerung, der sich Professor William F. Albright, einer der führenden Orientalisten der Welt, schon 1946 angeschlossen hatte. Rabinovitch druckte den arroganten Artikel von Margolis kommentarlos ab.

Als dieses Pamphlet in dem hochgeschätzten Bulletin of the Atomic Scientists erschien, setzte sich Eric Larrabee - er hatte früher an diesem Blatt gearbeitet - mit dem Chefredakteur in Verbindung. Der versprach, ihm in einem der nächsten Hefte Gelegenheit zu einer Erwiderung zu geben. Als der Zeitpunkt da war, teilte man ihm mit, man habe keinen Platz dafür übrig. Sein rüder Ton und seine Unwissenschaftlichkeit waren kein Hinderungsgrund dafür, daß Margolis' Artikel von den Kreisen, in denen die wissenschaftlichen Verbände den Ton angaben, begeistert aufgenommen wurde. So schickte zum Beispiel L. H. Farinholt, ein anderer Vizepräsident der Alfred-P.-Sloan-Stiftung, einen Sonderdruck des Artikels an Moses Hadas, den Jay-Professor für Geschichte an der Columbia University. In einer Rezension hatte Hadas geschrieben: »Es scheint, daß Immanuel Velikovsky . . . heute eine Ehrenrettung widerfährt.« Farinholt glaubte, Hadas werde den Aufsatz von Margolis »interessant und vielleicht amüsant« finden.

Hadas antwortete, er habe zu der Gültigkeit von Velikovskys astronomischen Theorien keine Meinung, und fuhr fort: »Aber ich weiß, daß er nicht unehrenhaft ist. Ich habe mich vor allem darüber aufgeregt, wie heftig er angegriffen wurde: Wenn seine Theorien absurd waren, würde sich das nicht im Lauf der Zeit herausstellen, auch ohne eine Verleumdungskampagne? Eine Rezension nach der andern zitierte ihn falsch und prangerte dann das falsche Zitat an. So auch in dem Margolis-Aufsatz, den Sie mir übersandten . . . (Hadas gibt verschiedene Beispiele für richtige Zitate bei Velikovsky, die bei Margolis verdreht waren.) ... Nicht Velikovsky, sondern sein Kritiker ist nicht informiert und voreilig . .. Es geht hier ganz schlicht um Fair play.«

Am 12. Mai 1964 schrieb Alfred de Grazia als Herausgeber des American Behavioral Scientist an Rabinovitch und verlangte, der Herausgeber solle sich von den vielen Entstellungen in Margolis' Artikel distanzieren. »Unsere Mitarbeiter und unsere Berater haben uns aufgefordert, gerichtliche Schritte zu unternehmen, damit das uns angetane Unrecht wiedergutgemacht wird. Wir sehen zunächst davon ab und appellieren in erster Linie an Ihren Anstand als Wissenschaftler.«

In einem langen Antwortbrief vom 23. Juni 1964 bat Rabinovitch de Grazia dringend, die Gerichte nicht einzuschalten: »Die Zeitschrift trägt die Verantwortung für jede verleumderische Behauptung. Aber in Mr. Margolis' Artikel kann ich, was Sie oder die Mitarbeiter Ihrer Zeitschrift betrifft, eine derartige Behauptung nicht entdecken.« Damit gab Rabinovitch stillschweigend zu, daß Velikovsky verleumdet worden war, und er schlug vor: »Da Margolis paläographisches Beweismaterial angesprochen hat, ist es nur fair, wenn das Bulletin Platz für einen Brief einräumt, der dieses Material anzweifelt. (Vorausgesetzt, dieser Brief fällt nicht beleidigender aus als die Kritik von Mr. Margolis.)« Er bot an, eine Darstellung von Velikovskys Ansichten zu drucken, falls ein anerkannter Wissenschaftler sie schreibe. Rabinovitch schloß: »Das ganze Problem sollte im Geist wissenschaftlicher Auseinandersetzung gelöst werden.«

Velikovsky, informiert über Rabinovitchs Einstellung, dachte nicht daran, sich mit Margolis in eine Debatte über hebräische und ägyptische Philologie und Paläographie einzulassen. Der Autor des Artikels im Bulletin hatte seine Unkenntnis auf diesen Gebieten hinreichend bewiesen. Aber weil Rabinovitch vom »Geist wissenschaftlicher Auseinandersetzung« gesprochen hatte, nahm Velikovsky an, er sei vielleicht bereit, einen positiven Aufsatz zu veröffentlichen. Professor Hess war damit einverstanden, Velikovskys Aufsatz »Venus, ein junger Planet«, den die American Philosophical Society abgelehnt hatte, an die Redaktion des Bulletin einzusenden.

Am 8. September 1964 schrieb Rabinovitch in dem weiter oben schon zitierten Brief an Hess: »Leider kann ich (Velikovskys Manuskript) im Bulletin nicht abdrucken - nicht, weil wir >Angst haben<, sondern weil das Bulletin kein Organ für wissenschaftliche Kontroversen ist. . . «

»Ich bin nicht kompetent-und habe auch keine Zeit-, Velikovskys Bücher zu lesen, oder auch nur seinen Aufsatz (den ich mit diesem Brief wieder zurücksende), aber es ist mir hinreichend bekannt, daß es in der modernen Wissenschaft keinen Dogmatismus gibt und daß neue revolutionäre Ideen leicht Eingang finden - einschließlich der Relativität der Zeit und des Fehlens exakter Kausalität in der Welt der Elementarteilchen-, und deshalb traue ich kompetenten Astrophysikern ein objektives Urteil über Velikovskys Theorien zu. Soviel ich weiß, hat nicht ein einziger kompetenter Wissenschaftler zu ihren Gunsten gesprochen (selbst wenn Sie und Ihr Kollege von der Princeton University es für Ihre Pflicht erachtet haben, in Science auf die erstaunliche Richtigkeit einiger konkreter Schlußfolgerungen Velikovskys hinzuweisen).«

Es ist interessant, diesen Ausdruck der Selbstgefälligkeit damit zu vergleichen, was Rabinovitch 1963 in seinem Buch The Dawn of a New Age geschrieben hat:


»Als Wissenschaftler haben wir eine gemeinsame Erfahrung, daß in der Wissenschaft die freie und unbehinderte Forschung einzelner der Urquell allen wissenschaftlichen Fortschritts ist. Die größten wissenschaftlichen Entdeckungen entstammen den Bemühungen einzelner nonkonformistischer Leute, die kritische Fragen gestellt und ganz kühn an der Gültigkeit allgemein anerkannter Vorstellungen gezweifelt haben . . . «
(Seite 222)

»Ich glaube, es ist Aufgabe des heutigen Wissenschaftlers, die Menschheit zu lehren, ein wenig mehr skeptischen Rationalismus zu beweisen, weniger Vorurteile zu haben, größere Achtung vor Fakten und Zahlen zu haben, gegenüber Theorien und Dogmen kritischer zu sein, die Grenzen unseres Wissens besser zu erkennen, und daher toleranter zu sein gegenüber den Ansichten anderer und bereit zu sein, sie experimentell zu überprüfen . . . Für den Wissenschaftler sollte es keine endgültigen Wahrheiten geben, keine verbotenen Forschungsgebiete, keine Wörter, die tabu sind, keine vorgeschriebenen oder verbotenen Gedanken . . . «
(Seite 223)

»Ein Wissenschaftler muß stets bereit sein, seine Ansichten, Erkenntnisse und seine allgemeinen Schlüsse neu in Experiment und Beobachtungen zu überprüfen. Das heißt freilich nicht, daß er sich nicht gegen neue Theorien wehren soll, die die Prinzipien, die er als gültig erkannt hat, umstoßen. Aber unter allen Menschen gehört er zu den aufgeschlossensten, denen, die am meisten bereit sind, Veränderungen hinzunehmen. Der wäre kein guter Wissenschaftler, der sich sträubte, neue Tatsachen zu berücksichtigen und seine Vorstellungen so zu ändern, daß sie darin Platz finden. Nur gegen Intoleranz selber ist die Wissenschaft intolerant -gegen die Ansicht, gewisse Anschauungen seien sakrosankt, unbezweifelbar und vor logischer und experimenteller Prüfung geschützt. «
(Seite 323)



In seinem Briefwechsel mit de Grazia und Hess gab Rabinovitch zu, er habe Velikovskys Bücher nicht gelesen. Außerdem bewies er ein schlechtes Gedächtnis: Gegenüber de Grazia erinnert er sich dunkel, Shapley und Menzel hätten Velikovskys Theorie analysiert, doch Shapley hat nie etwas darüber veröffentlicht; in seinem Brief an Hess zeigt Rabinovitch, daß er auch über weniger lange Zurückliegendes nicht so recht Bescheid wußte: Er hielt Hess für einen Schreiber des Briefes von Bargmann und Motz an Science. Obwohl er Velikovskys Werk nicht kannte und sich nur vage daran erinnerte, was andere gesagt und getan hatten, startete er doch eine Kampagne gegen Welten im Zusammenstoß und übertrug die Leitung einem inkompetenten Journalisten. Professor de Grazia druckte im Oktoberheft 1964 des American Behavioral Scientist den Aufsatz von Margolis ungekürzt ab. Daran schloß sich ein eingehender Kommentar, der detailliert - 54 Einzelbeispiele - die vielen mangelnden Kenntnisse und Falschdarstellungen aufzeigte. Daraufhin schrieb Margolis: »Ich würde vorschlagen, daß Ihre Leser, bevor sie sich ein endgültiges Urteil bilden, sich die Mühe machen, wenigstens in einem Fall Velikovskys Behauptungen, meine Behauptungen und de Grazias Widerlegung zu prüfen. Ich schlage dazu Augustins Gottesstaat vor . . . Im Gegensatz zum El-Arisch-Text .. . steht das Buch in jeder Bibliothek.« In seinem Begleitschreiben bot Margolis an, sich mit de Grazia zu treffen. Da könne man eine Einigung erzielen.

Margolis, der viele Monate nach Erscheinen seines Artikels immer noch nicht wußte, daß das El-Arisch-Dokument, das er zu interpretieren vorgab, eine Inschrift auf Stein und kein Manuskript ist, empfahl, die Leser de Grazias sollten sich darüber informieren, was Velikovsky zu »Minerva, Deukalion, Varro, Ogyges, Venus usw.« zu sagen habe, indem sie Augustins Hinweise auf diese Namen nachprüften. Sicher hoffte er, keiner werde diesem Rat folgen, sonst hätte er eine solche Bemerkung unterlassen.

De Grazia antwortete: »Sie behaupten, Velikovsky habe Augustins Gottesstaat falsch zitiert, aber den konkreten Beweis bleiben Sie schuldig. Wenn die Richtigkeit von Zitaten zur Debatte steht, kann nur ein Hinweis auf den Text helfen. Bei den Zitaten aus Augustin brachten Sie in Ihrem Aufsatz nur ein einziges Beispiel, und da waren Ihre Vorwürfe unbegründet . . . Wenn Ihnen Texte aus alten Literaturen bekannt sind, die Dr. Immanuel Velikovskys Theorie widersprechen, dann leisten Sie der Wissenschaft einen Dienst, wenn Sie sie veröffentlichen. Aber solange Sie nicht zitieren, ist eine Diskussion illusorisch. Der American Behavioral Scientist hat tatsächlich nachgewiesen, daß Sie die Mitarbeiter der Zeitschrift, die Werke von Dr. Velikovsky und die beiden antiken Texte, die in Ihrem Artikel angesprochen sind, falsch zitiert haben. Wenn Sie schon so besorgt sind um die Richtigkeit von Zitaten, dann bringen Sie bitte diese Angelegenheit in Ordnung.«

»Da Sie schon in 54 Fällen unrecht haben, sollten Sie diese Zahl nicht noch vergrößern.«

Wie verantwortungslos Rezensenten sein können, wurde im Sommer 1965 wieder deutlich. Am 11. Juli 1965 stand in Book Week, einer Sonntagsbeilage der New York Herald Tribune, der Washington Post und des San Francisco Examiner, eine Besprechung von Welten im Zusammenstoß von Willy Ley, Autor populärwissenschaftlicher Bücher über Raketentechnik und Raumfahrt. Der Anlaß zu dieser Rezension war die Paperbackausgabe dieses Buchs zusammen mit der von Erde im Aufruhr (Delta, 1965). 15 Jahre lag die Originalausgabe zurück.

In seinem Artikel bedient sich Ley aller Tricks früherer Rezensenten: Er übergeht die Argumente von Welten im Zusammenstoß, indem er sie so zusammenfaßt, daß sie einem lächerlich vorkommen müssen. Er stellt Velikovskys Werke auf eine Stufe mit denen Hanns Hörbigers. (Die Spekulationen dieses Verfechters der Katastrophentheorie, die schon längst keiner mehr ernst nahm, führten nie zu nachprüfbaren Voraussagen.) Ley betet die gleichen falschen Pauschalurteile über Velikovskys Umgang mit den Quellen nach (» . . . in 50 Prozent der Fälle steht nicht in der Bibel, was Velikovsky herausliest . . . «), aber er läßt die Gelegenheit zu konkreten Hinweisen ungenutzt verstreichen. Er wendet sich gegen eine Methode wissenschaftlicher Deduktion, die er nicht einmal zu verstehen sucht (» . . . Hinweise auf antike Schriften . . . sind eine besondere Art, physikalische Ereignisse zu beweisen«); er ist noch stolz darauf, Material, das Velikovsky in Erde im Aufruhr verarbeitet hat, nicht zu kennen (» . . . die Tiere durchlebten ungestört die verhängnisvollen Jahre um 1500 v. Chr.«), und er bringt seinen eigenen mathematischen Beweis dafür, daß Venus »ganz unmöglich« sich durch Eruption vom Jupiter abgespalten habe. Damit macht er deutlich, daß er nicht weiß, daß erst vor kurzem der Kosmologe R. A. Lyttleton mathematisch bewiesen hat, daß sich die Venus durch Eruption vom Jupiter oder von einem anderen der großen Planeten abgespalten haben muß.

Vom Herausgeber der Book Week erhielt Velikovsky Gelegenheit, auf Leys Anwürfe zu antworten. Er nahm die Gelegenheit wahr und setzte sich in einem längeren Artikel mit seinen unkritischen Kritikern allgemein auseinander. Der Artikel erschien in der Ausgabe der Book Week vom 9. September 1965.

Professor Horace M. Kallen schrieb nach der Lektüre an Velikovsky: »Ich glaube, Sie haben Ley in eine Lage gebracht, aus der er nicht so leicht herauskommt.«

Die Paperbackausgaben von Welten im Zusammenstoß und Erde im Aufruhr waren der Anlaß für eine weitere erwähnenswerte Episode.

Im März 1965 wollte die Dell Publishing Company eine bescheidene Anzeige für die Delta Books in Science und Sclentific American bringen. Beide lehnten die Anzeige ab, wollten sich aber nicht schriftlich dazu äußern. Schließlich schrieb Robert V. Ormes, der Chefredakteur von Science, an die Werbefirma Franklin Spier: »Wie Mr. Scherago (der Chef der Anzeigenabteilung von Science) Ihnen schon am Telefon gesagt hat, ist die Annonce nicht angenommen worden.« In einer kurzen Notiz der Werbefirma an Dell heißt es: »Wir verlangten eine schriftliche Begründung für die Ablehnung. Bisher kam von Science nur diese >Antwort< - sie drückt sich glänzend um eine Erwähnung der Bücher, um die es geht.«

Vielleicht aus Versehen führte Science in seiner unregelmäßig erscheinenden Rubrik »Nachdrucke« am 7. Mai 1965 die Paperbackausgabe von Welten im Zusammenstoß auf.

Alle Äußerungen über Velikovsky haben eines gemeinsam: Ein bekannter Wissenschaftler um den anderen kritisiert den Autor und seine Ideen und macht sie lächerlich; und danach gibt er, nicht ohne Stolz zu, die Bücher gar nicht gelesen zu haben.

Diese Tendenz trat schon sehr früh in Erscheinung, als sich Harlow Shapley mündlich und Cecilia Payne-Gaposchkin schriftlich über Welten im Zusammenstoß abfällig äußerten, noch ehe das Buch auf dem Markt war. Der Astronom Dean McLaughlin verkündete stolz, er werde Velikovskys Buch niemals lesen; er hatte aber keine Bedenken, es als »Lügengespinst« zu bezeichnen. Philip Abelson schickte 1963 Velikovskys Aufsatz einfach zurück, ohne es für nötig zu halten, ihn zu lesen. Das gleiche passierte bei einem weiteren Aufsatz mit Rabinovitch, der gleichzeitig mit dem Ruf seiner Zeitschrift eine neuerliche Kampagne gegen Velikovsky deckte.

Ein weiteres Phänomen ist der Eifer, mit dem die Kritiker Velikovskys ihre eigene Objektivität hervorheben; als Standardbeispiel zitieren sie ihre Annahme der Theorie Einsteins. In den Vergleichen zwischen Velikovsky und Einstein tauchten dessen Name und seine Relativitätstheorie immer wieder auf. Diese Vergleiche sollen die Art der Aufnahme der Werke der beiden rechtfertigen. Einsteins Theorie ist hoch geschätzt, obwohl es nach einem halben Jahrhundert noch keinen unbestreitbaren Beweis für ihre Gültigkeit gibt, und sie gilt als wissenschaftlich vorbildlich; andererseits lehnt man Velikovskys Theorie als unwissenschaftlich ab, obwohl viele auf ihr beruhenden Voraussagen eingetroffen sind. Die Logik einer solchen Einstellung - auch Rabinovitch schloß sich ihr unlängst an - will einem nicht recht einleuchten.

Eine weitere Methode, mit Velikovskys ketzerischen Theorien fertig zu werden, war, das Beweismaterial abzuwerten oder ganz zu ignorieren, wenn es seine Theorie stützt. Durch diese Technik kommt man um eine Diskussion und um die Anerkennung der Velikovskyschen Voraussagen herum. Sky and Telescope, eine Zeitschrift für Amateurastronomen, herausgegeben vom Harvard-Observatorium, berichtete über die Entdeckungen von Mariner II. Dieser Bericht war der Nachdruck der Zusammenfassung aus dem Buch Mariner, Mission to Venus, verfaßt vom Stab des Jet-Propulsion-Laboratoriums, der Gruppe, die die Experimente an Bord des Raumschiffs durchführte. Kleinere Auslassungen sind in der nachgedruckten Fassung durch Punkte gekennzeichnet, aber vier wesentliche Streichungen werden nicht eigens vermerkt.

Bei der Wiederherstellung des Textes muß folgendes wieder eingefügt werden:

(1) »Die Rotation kann retrograd sein... »

(2) Die Wolken der Venus »bestehen wahrscheinlich aus kondensierten Kohlenwasserstoffen, die in einem öligen Schwebezustand gehalten werden...».

(3) »Auf der Oberfläche kann es kein Wasser geben, aber es könnte kleine Seen von irgendwelchen geschmolzenen Metallen geben.»

(4) »Etwas rötliches Sonnenlicht . . . dringt vielleicht durch die circa 25 km dicke Wolkenschicht, aber wahrscheinlich ist die Oberfläche sehr dunkel.»

Ist es nur ein Zufall, daß diese Punkte, die (1) auf Anomalien im Verhalten des Planeten in der Vergangenheit schließen lassen, (2) eine konkrete Voraussage Velikovskys glaubwürdig machen, (3) der lange vertretenen Theorie von Wolken aus Wasserdampf auf der Venus widersprechen und (4) ein unüberwindbares Hindernis für die Theorie darstellen, die Venus werde ähnlich wie ein Treibhaus durch eingefangenes Sonnenlicht beheizt, in der Redaktion dem Rotstift zum Opfer fielen? »Ist die Harvard University verpflichtet, solche Dinge zu untersuchen?« fragte de Grazia 1963.

Einflußreiche Wissenschaftler setzten weiterhin populäre Zeitschriften und Magazine unter Druck, die Velikovsky positiv erwähnten. Die gängigste Masche dabei ist es, den Redakteuren einzureden, nur Wissenschaftler - und vor allem solche, die zum Establishment gehören seien dazu befähigt, Urteile über wissenschaftliche Theorien zu fällen. Und weil nun die Wissenschaft eine wichtige Quelle für Nachrichten ist, die das Publikum interessieren, so schlagen Redakteure solche Ratschläge nicht gerne in den Wind. 1963 sollte in Newsweek ein Artikel über Velikovskys Voraussagen und ihre Bestätigung durch Mariner II erscheinen. Er erschien aber nicht aufgrund eines Telefongesprächs zwischen einem Redakteur und Harlow Shapley - dem Astronomen, dem Velikovsky 1946 geschrieben hatte, die Suche nach Kohlenwasserstoffen in der Atmosphäre der Venus sei die Probe aufs Exempel für seine Theorie.

In der Sowjetunion hat Nauka i Zhizn (Wissenschaft und Leben), eine populärwissenschaftliche Zeitschrift, in einer Artikelserie, die seit 1962 läuft, so ganz nebenbei die Theorien Velikovskys dargestellt, sogar die beiläufige Spekulation, bei der Datierung des Untergangs des sagenhaften Atlantis habe sich in der herkömmlichen Datierung eine Null zuviel eingeschlichen. Velikovskys Name wurde in der Serie nie erwähnt.

Die mehrsprachige italienische Fachzeitschrift Civilta delle Macchine unterstrich in ihrem Heft Mai-Juni 1964 die Notwendigkeit steter Wachsamkeit, um den Geist wissenschaftlichen Denkens zu bewahren, der im früher erschienenen Gedenkheft zu Galileis 400. Geburtstag beschworen worden war. Professor Bruno de Finetti vom Mathematischen Institut der Universität Rom schrieb den Leitartikel.

Um das Zentralthema - die Wissenschaft muß stets auf der Hut sein vor einer übertrieben skeptischen Haltung gegenüber allem Hergebrachten, die sich darauf beschränkt, eine Reihe von unzusammenhängenden Thesen aufzugreifen; aber ebenso muß sie sich vor einem Dogmatismus hüten - zu illustrieren, vertrat Professor de Finetti die Auffassung, die Weigerung der überwiegenden Mehrheit in akademischen Kreisen, sich mit Velikovskys Ideen überhaupt auseinanderzusetzen, enthalte »vor allem eine Lehre«: Die Berufsbezogenheit und die Abgrenzung der Wissenschaften gegeneinander seien eines der Haupthindernisse für die nötige ständige Erneuerung der Wissenschaft geworden.

Deshalb weigerten sich, wie de Finetti meint, die Wissenschaftler, die positiven Seiten von Velikovskys Forschungen zu diskutieren, weil sie ein persönliches Problem beschäftigte - die Tatsache, daß er »das Recht ihrer verkalkten Gehirne auf den ewigen Frieden« in den eingefahrenen Geleisen bestreite. Die Verteidigung eines solchen berechtigten Interesses an der Erhaltung dieser praktischen interdisziplinären Abgrenzungen könne »jeden Clan von Spezialisten und den großen Clan der Wissenschaftler im allgemeinen in eine Art von despotischer und verantwortungsloser Mafia« verwandeln.



Amerikanische Wissenschaftler und wissenschaftliche Redakteure ignorieren - oder verhöhnen - Velikovskys Ideen weiterhin, aber die objektive Wissenschaft stößt ebenfalls weiterhin ihre eigenen überkommenen Theorien durch neues Beweismaterial um. Vieles von diesem Material spricht für Velikovsky, einiges spricht nicht gegen ihn; bis jetzt aber ist noch nichts aufgetaucht, das seine Ansichten widerlegt.

Im April 1964 machten Radioastronomen Schlagzeilen, als sie von Beweisen dafür sprachen, der Jupiter habe seine Rotationszeit plötzlich verändert. Ein Zusammenhang zwischen der Rotationszeit der Quelle der Radiostrahlung und der Rotationszeit des Planeten selbst wurde zwar vermutet, dann aber fiel der Zeitpunkt, an dem man eine plötzliche Änderung der Quelle der Funksignale feststellte, mit einer gleichartigen Änderung der Rotationszeit des roten Flecks auf dem Jupiter zusammen. Dabei sei angemerkt, daß in einem Memorandum über vorgeschlagene Raumforschungsexperimente, das Velikovsky an Professor H. H. Hess auf dessen Wunsch im September 1963 übersandte, steht: »Es sollten genaue Berechnungen über die Einwirkung des magnetischen Feldes, welches das Sonnensystem durchdringt, auf die Bewegungen des Jupiter gemacht werden, der von einer Magnetosphäre umgeben ist, die 10 hoch 14 mal stärker als die der Erde sein dürfte. Das ist von grundlegender Bedeutung für die bevorstehende Neubewertung elektromagnetischer Einwirkungen auf dem Gebiet der Himmelsmechanik.«

Auf einem Kongreß der Internationalen Astronomischen Union in Hamburg im Jahr 1964 rückten die Planeten Merkur und Venus in den Blickpunkt des Interesses. Australische Astronomen berichteten über Temperaturen von 15,5 Grad C auf der sonnenabgewandten Seite des Merkur, wo man solche weit unter dem Gefrierpunkt erwartet hatte. Scientific American schrieb im Oktober 1964: »Die Erklärung für diese erstaunlich hohen Temperaturen bietet noch eine weitere Überraschung: Der Merkur hat zwar nur eine geringe Masse und ist intensiver Sonnenstrahlung ausgesetzt . . . Trotzdem hat er genügend Atmosphäre, um einen Teil der auf der sonnenzugewandten Seite herrschenden ungeheuren Hitze auf die sonnenabgewandte Seite mitzunehmen.« Vielleicht findet sich eines Tages eine plausible Erklärung dafür in einem Folgeband von Welten im Zusammenstoß, der von früheren Katastrophen handelt, von denen die Geschichte mindestens eine dem Merkur zuschreibt.

Neuere Radarmessungen der Venus haben ihre retrograde Rotation bestätigt, die um die Zeit des Vorbeiflugs von Mariner II von Naturwissenschaftlern in der Verfolgungsstation Goldstone des Jet-Propulsion-Laboratoriums zum erstenmal beobachtet worden war. Am Ionosphärischen Observatorium in Arecibo, Puerto Rico, von Wissenschaftlern der Cornwell University und dem Massachusetts Institute of Technology durchgeführte Radarmessungen legten die Rotationszeit der Venus auf 247±5 Tage fest. Der Planet umkreist die Sonne in 225 Tagen. Britische und sowjetische Forscher haben die retrograde Rotation ebenfalls festgestellt.

Der amerikanische Interplanetary-Monitoring-Platform-Satellit Explorer 18 hat eine Magnetosphäre um den Mond entdeckt, eine Region, die die Form eines Wassertropfens hat und auf der sonnenabgewandten Seite des Mondes mindestens 110 000 km in den Weltraum reicht. Dieselbe Sonde hat eine Region mit Elektronen hoher Ladung entdeckt, die sich fächerförmig ausbreiten und sich wie in einem Strudel auf der Nachtseite der Erde verlieren. K. A. Anderson, der über diese Entdeckung als erster berichtete, hält es für denkbar, daß der Mond während seiner monatlichen Erdumrundungen diesem Schweif begegnet. Dr. N. F. Ness vom Goddard Space Flight Center in Greenbelt, Maryland, vermutet, daß der Schweif der Erde sich weit über die Umlaufbahn des Mondes hinaus ausdehnt.

Man nimmt an, dieser Schweif sei eine Verlängerung des Magnetfeldes der Erde in der der Sonne entgegengesetzten Richtung. 1953 deutete Velikovsky an, das Magnetfeld der Erde reiche möglicherweise bis zum Mond und verursache bisher unerklärliche Librationen oder Schaukelbewegungen des Mondes.

In der Ausgabe des Book Week vom 5. September 1965 schrieb Velikovsky: »Im Juli bestätigte Mariner IV meine Vorstellung vom Mars als mehr dem Mond als der Erde ähnlich. Auf Seite 321 von Welten im Zusammenstoß heißt es: >Die Begegnungen zwischen dem Mars und den anderen größeren und massigen Planeten lassen es als höchst unwahrscheinlich erscheinen, daß irgendwelche Formen höheren Lebens auf dem Mars davongekommen wären. Er ist vielmehr ein toter Planet.< ... Daß der Mars kraterähnliche Formationen hat wie der Mond, ergibt sich aus der Art, wie diese Formationen entstanden sind. Der Mars wurde erhitzt und fing an zu brodeln; er wurde durch interplanetare Blitze getroffen; und auch einige große Meteoriten sind aufgeschlagen. Auf vielen Seiten von Welten im Zusammenstoß wird als Zeitraum, in dem dies hauptsächlich geschah, das 8. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung angegeben. . . Die scharfen Umrisse der Formationen deuten angesichts einer Atmosphäre darauf hin, daß sie jüngeren Datums sind. «

Velikovskys Bemühungen über mehr als ein Jahrzehnt, die Radiokarbonlaboratorien in allen Teilen der Welt dazu zu bewegen, Gegenstände aus dem Neuen Reich in Ägypten zu untersuchen, hatten einen ersten Erfolg. Die Untersuchungsergebnisse sprechen nicht gegen Velikovskys, wohl aber ganz entschieden gegen die herkömmliche Chronologie.

1963 wurden drei Holzsplitter aus dem Grab Tutanchamuns an das C14 Laboratorium des Museums der University of Pennsylvania eingeschickt. Dr. Elizabeth K. Ralph, die Leiterin des Labors, führte die Untersuchungen durch und benutzte dabei alle drei Proben (insgesamt 26 g). In Radiocarbon (1965), einer Zeitschrift der Yale University berichtet sie, das Material stamme - unter Zugrundelegung von Libbys Schätzung der Halbwertzeit von C 14 - von 1030±52 v. Chr. (nach der Washingtoner Schätzung von 1120±52 v. Chr.).

Diese Daten stimmen in keiner Weise mit der eingeführten Chronologie zusammen, die Tutanchamun ins 14. Jahrhundert verlegt. Velikovsky verlegt ihn ins 9. Jahrhundert. Die Untersuchungsergebnisse widerlegen Velikovskys Chronologie nicht, denn das C14 zeigt bei Holz nur die Zeit an, in der die Zellen des Holzes noch aktiv wuchsen. Nur Holz aus den äußeren Schichten eines Scheits ergibt einen einigermaßen exakten Hinweis darauf, wann der Baum gefällt wurde, während Holz aus den inneren Schichten ein Datum erbringen kann, das Hunderte von Jahren früher liegt. Fast die Hälfte des untersuchten Holzes stammte von der Libanonzeder. Dieser Baum zeichnet sich durch Langlebigkeit aus, und er wird gewöhnlich nicht sehr jung gefällt. Daher ist es möglich, daß ein Baum, dessen Kernholz ungefähr 1030 (oder 1120) v. Chr. gewachsen ist, im 9. Jahrhundert gefällt und zu Gegenständen für Tutanchamun verarbeitet worden ist. Es ist aber ausgeschlossen, daß aus einem Holz, das Jahrhunderte nach seinem Tod wuchs, Gegenstände für einen Pharao des 14. Jahrhunderts angefertigt wurden. Verbindliche Schlüsse lassen sich aufgrund eines einzelnen Tests freilich nicht ziehen. Aber vielleicht ist jetzt der Weg frei für Untersuchungen, wie sie für die 1300 Jahre nötig sind, deren chronologische Gliederung Velikovsky anzweifelt. Bisher blieb diese Zeit aus den C14 Untersuchungen ausgeklammert.

Wegen der so erfolgreichen Verleumdungskampagne in den fünfziger Jahren stand der Name Velikovsky bei Herausgebern und Journalisten der Sparte Wissenschaft bei Zeitungen und Massenzeitschriften auf der schwarzen Liste. Und daran hat sich bis heute wenig geändert. Aber der Aufsatz von Larrabee im Augustheft 1963 von Harper's Magazine und die Sondernummer des American Behavioral Scientist im September 1963 setzten einen Wandlungsprozeß in akademischen Kreisen und an den Universitäten in Gang, der sich bis jetzt noch nicht in der allgemeinen Presse oder in der Fachpresse niedergeschlagen hat. Studenten und junge Dozenten wollen wissen, was an Velikovskys Theorien wirklich dran ist und warum sie von den Wissenschaftlern nicht akzeptiert worden sind.

Im Oktober/November-Heft 1964 von Quadrant, der in Sydney erscheinenden Zeitschrift der Australian Association for Cultural Freedom, stand ein zehn Seiten langer Artikel »Velikovsky im Zusammenstoß« von David Stove, Dozent für Philosophie an der Universität Sydney.

In objektiver Weise übt Stove Kritik am Beweismaterial, das Velikovsky in allen seinen Büchern vorlegt. » . . . Der schlagendste Beweis für Velikovskys Theorie bleibt der historische. Die Erde sprach, so wenigstens kommt es mir vor, sehr zweideutig für ihn... Wie aber der Himmel?... Der Abendstern selbst hat auf zwei früher undenkbare Voraussagen Velikovskys mit einem lauten und überraschenden >ja< geantwortet. Man sollte (diesen Beweis) nicht überbetonen . . . aber ich verstehe nicht, wie man hat bestreiten können, daß diese beiden Bestätigungen . . . (die ganze These) erheblich wahrscheinlicher machen als sie es aufgrund früherer Beweise schon war; und ihr Wert war keineswegs gering zu veranschlagen.«

Stove führt die heftige Reaktion der Astronomen gegenüber Welten im Zusammenstoß darauf zurück, daß Velikovsky ihnen deutlich zu verstehen gab, »daß Astronomie keine theoretische Wissenschaft ist, sondern ein Zweig der Naturgeschichte... Daß die Geschichte des Sonnensystems so ruhig verlaufen sei, ist eine Annahme, in die die Astronomen stillschweigend so viel Vertrauen gesetzt haben, wie sie es gar nicht verdient. In diesem Haus, in dem sie sich so gut auskennen, haben sie diese Tür nie gesehen. Und Velikovsky hat etwas getan, was sie zur Weißglut brachte: Er ging als Fremder durch die offene Tür hindurch. . . Wir sollten dem Mann unsere Bewunderung nicht versagen, der uns als erster darauf hingewiesen hat, die Erde sei nicht nur nicht der Mittelpunkt, nicht nur nicht ruhig, sondern nicht einmal sicher.«




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